Ampelkoalitionäre haben's schwer: Was die Wiener Grünen mit ihren Äußerungen zum Thema "Verkehrskultur" signalisieren wollen, wird bei der eigenen Klientel höchst unterschiedlich interpretiert

Foto: Fischer

Betrifft: "Die neue grüne Spießigkeit" von Michael Völker

Ich ersuche den Standard, in dem ins Treffen geführten Gespräch mit der Kronen Zeitung den Begriff "Fahrrad-Rowdy" in einem der von mir gebrauchten Zitate zu finden. Das wird nicht gehen, denn ich habe ihn nicht gebraucht. Er gehört nicht zu meinem Repertoire.

Was ich tatsächlich dort im Zitat gesagt habe, wird nicht wiedergegeben, denn es könnte sein, dass es gar nicht so umstritten ist. Zitiert hat mich die Kronen Zeitung wie folgt: "Ich habe überhaupt kein Verständnis für Rotlicht-, Gehsteig- und Zebrastreifen-Radler." Sowie: "Ich finde es unglaublich, wie manche Fahrradlenker rücksichts- und bedenkenlos Fußgeher, aber auch langsamere Radler in Gefahr bringen. Das muss einfach abgestellt werden."

Ja, ich bin der Meinung, dass wir in Wien mehr, viel mehr Radverkehr brauchen und dazu alle Möglichkeiten schaffen sollen - inklusive Fahrradstraßen und Aufhebung der Radwegebenützungspflicht. (Von diesen beiden meiner Standpunkte ist übrigens im Artikel nicht die Rede.) Dazu braucht es auch Akzeptanz für RadfahrerInnen und einen guten Umgang miteinander im täglichen Verkehr. Sonst werden wir dem Radverkehr nicht jenen Stellenwert einräumen können, den er verdient.

Einer Verkürzung ist allerdings auch die Kronen Zeitung aufgesessen, nämlich jener mit der Kennzeichen-Pflicht. Ich habe - auch gegenüber der Kronen Zeitung - betont, dass ich skeptisch bis ablehnend bin, da wir den Radverkehrsanteil erhöhen wollen und ich der Meinung bin, dass dies Radfahren verkompliziert - was es nicht sollte.

Noch ein paar Worte zum sogenannten "Knigge": Es gibt die Straßenverkehrsordnung (StVO), an die sich alle im Straßenverkehr zu halten haben. Darüber hinaus finde ich, dass es einer Stadt wie Wien gut ansteht, in Zusammenarbeit mit den BürgerInnen Grundsätze für gutes und faires Verhalten im Verkehr zu formulieren. nd gemeinsam erarbeitete Fairness-Prinzipien , für die wir in weiterer Folge im eigenen Wirkungsbereich jeweils werben können, sind ein Beitrag zur Sensibilisierung im Umgang miteinander. Ich denke, Wien kann davon nur profitieren.

Maria Vassilakou, Vizebürgermeisterin von Wien

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Sehr geehrte Frau Vassilakou, aufgrund diverser Medienberichte über Ihre jüngsten Äußerungen zu Radfahrern möchte ich Folgendes festhalten: Ich betrachte das Beschimpfen von Radfahrer/innen als ein dreistes Ablenkungsmanöver vom wirklichen Problem - und das sind zahlreiche Autofahrer/innen.

Autofahrer/innen, die in der Tempo-30-Zone 60 fahren; Autofahrer, die bei Rot über die Ampel fahren; Autofahrer, die Radfahrer per se als Provokation empfinden und dementsprechend deren Weg abschneiden, keinen Sicherheitsabstand halten und mit anderen Verhaltensweisen gefährden (den Fußgängern geht's dabei nicht besser).

All diese Verhaltensweisen sind in Wien leider keine Einzelfälle, erlebe jeden Tag mindestens zwei bis drei Autos, die bei Rot noch schnell über die Kreuzung fahren. Warum gibt es in Wien keine Rotlichtkameras?

Erlebe jeden Tag Autos, die in der 30er-Zone 60 fahren. Jeder Fahrer, der sich an 30 hält, wird angehupt. Warum wird die Einhaltung der Geschwindigkeit nicht verstärkt kontrolliert und werden Verstöße bestraft?

Autos, die beim Einbiegen vor einem Schutzweg und Radweg ihre Geschwindigkeit nicht verringern, sondern ohne Rücksicht Gas geben. Warum sind die Radstreifen nicht wenigstens bei gefährlichen Kreuzungen rot eingefärbt und somit besser erkennbar?

Und letztendlich stellt sich die Frage, warum prangert eine grüne Verkehrsrätin nicht die oftmalige Rücksichtslosigkeit zahlreicher Autofahrer im Straßenverkehr an und stellt klar, dass im Straßenverkehr - wie auch in der Gesellschaft im allgemeinen - auf die Schwächeren (und dies sind im Straßenverkehr Fußgänger und Radfahrer) Rücksicht genommen werden muss. Und dies kann wohl nur durch Kontrollen und Strafen erreicht werden. Das legitime Mittel einer rechtsstaatlichen Demokratie. Auf Goodwill ist nicht zu hoffen ...

Dr. Eva Fehringer, 1160 Wien

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Es geht eben nicht um neue Vorschriften für Radfahrer! Insofern irrt Michael Völker, wenn er den Grünen eine neue Spießigkeit unterstellt. Ein Radfahrer-Knigge käme mit zwei Punkten aus: 1. Ich nehme zur Kenntnis, dass es eine Straßenverkehrsordnung gibt. 2. Ich werde sie befolgen.

Es ist der grünen Spitze hoch anzurechnen, wenn sie sich endlich dieses Themas annimmt. Und in der Tat, es wäre dringend. Inzwischen ist ja die letzte Bastion des gesunden Hausverstandes bereits im Fallen begriffen; neulich war in einem Leitartikel einer Radfahrerzeitung zu lesen: "Ich fahre natürlich (!) bei Rot; das ist sicherer."

Aber wenn nun die Bundessprecherin sagt "Bei Rot muss man stehenbleiben", dann wird das zumindest den Geruch der grauen Bürgerlichkeit verlieren.

Peter Planyavsky, 1170 Wien

(Kommentar der anderen/Leserforum, DER STANDARD Printausgabe, 16.6.2011)