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Aufwand und Belohnung müssen im Spitzensport langfristig ausgewogen sein. (Symbolfoto)

Foto: APA/Dietmar Stiplovsek

Persönlichkeiten wie der Skispringer Sven Hannawald oder der Profifußballer Sebastian Deisler haben der Öffentlichkeit gezeigt, dass auch Spitzensportler nicht vor dem Burnout-Syndrom gefeit sind. Dieser Zustand der totalen Erschöpfung ist im Profisport wohlgemerkt ein eher seltenes Phänomen. Das mag unter anderem daran liegen, dass die Erholungs-Belastungs-Bilanz im Sport eine große Rolle spielt, weil sie leistungsbestimmend ist. "Das Bewusstsein, dass nur gut erholte Athleten auch gute Leistungen erbringen, ist vorhanden", sagt Günter Amesberger, Leiter des Bereichs Sportpädagogik und -psychologie an der Universität Salzburg und Obmann des Bundesnetzwerks Sportpsychologie. Die Burnout-Fälle im Hochleistungssport könne man an einer Hand abzählen, Sportler hätten eher mit körperlicher Überforderung, dem so genannten Übertraining, zu kämpfen.

Aufwand und Belohnung müssen ausgewogen sein

Wie kommt es dazu, dass Menschen, die ständig körperlich gefordert werden, plötzlich seelisch "ausbrennen"? Schwäche und Müdigkeit sind Begriffe, die im Spitzensport wenig zu suchen haben, im Vordergrund stehen stets die Optimierung der Leistung und der daraus erhoffte Erfolg. Das setzt beim Sportler nicht nur hohe Motivation und Anstrengungsbereitschaft voraus, sondern hält auch eine entsprechende Belohnung für die Verausgabung bereit. Wenn Aufwand und Belohnung über einen längeren Zeitraum nicht mehr übereinstimmen, kann es zum Burnout kommen. "Der Teufelskreis des Burnout-Syndroms entsteht zum Beispiel dann, wenn die Leistung abfällt aber der Sportler einen Perfektionsanspruch hat und sich nicht damit abfinden will, wenn er undbedingt doch noch sein Ziel erreichen möchte und in der Folge noch mehr trainiert als sonst", erklärt Amesberger.

Oder wenn er an einer wichtigen Schwelle scheitert und fehlende soziale Unterstützung oder das Gefühl, gemobbt zu werden, die Situation verschlimmern. "In so einem Fall ist die Belastung groß, typische Burnout-Anzeichen wie Unkonzentriertheit, Ziellosigkeit, Deprivation oder Zynismus gegenüber anderen kommen auf", so Amesberger. Man ist müde, steht nur schwer auf, der Blick in den Tag ist negativ, weil man sich keinen Erfolg vom bevorstehenden Training verspricht. Ein echtes Burnout wird oft über Jahre oder Jahrzehnte hinweg aufgebaut, es handelt sich um ein langfristiges Missverhältnis zwischen Ressourcen, Beanspruchungen und Erholungsfähigkeit.

Druck von vielen Seiten

Profisportler sind neben dem eigenen Erfolgsdruck auch dem Druck der Mannschaft, der Sponsoren, der Medien und der Öffentlichkeit ausgesetzt. "Die Beziehung zu den Medien ist paradox: Die Sportler leben von der Öffentlichkeit, ihre Tätigkeit ist nur finanzierbar, weil sich andere Menschen dafür interessieren", sagt Amesberger. Sportler sollten sich über diesen "Deal" mit Medien und Öffentlichkeit im Klaren sein und sich eine Medienidentität aufbauen. Trotzdem: Die ständige mediale Präsenz und die laufende mediale Beurteilung der Leistung bleiben nicht ohne Wirkung. "Bei Fußballern werden deutlich erhöhte Stresswerte gemessen, das hat vermutlich viele Gründe, aber einer davon ist sicherlich die hohe Medienpräsenz", ist Amesberger überzeugt.

Das Leben danach

Auch das Grübeln über das Leben nach der Sportlerkarriere kann belastend sein. Profisportlern fehlt nicht selten eine abgeschlossene Berufsausbildung. "Früher hat man Sportler ‚irgendwie untergebracht‘, heute ist der wirtschaftliche Druck hoch und Mitarbeiter haben weniger Akzeptanz gegenüber Quereinsteigern dieser Art", analysiert Amesberger. Die Phase zwischen aktiver Sportlerkarriere und späterer beruflicher Laufbahn verlaufe häufig problematisch. Seit einigen Jahren hilft der Verein "Karriere Danach", der aus einer Initiative des AMS hervorgegangen ist, Sportlern beim Umstieg ins „normale" Berufsleben.

Erholung und Ruhe sind am wichtigsten

Der Diagnose Burnout gehen unter anderem eine Erholungs-Belastungs-Bilanz, die Messung der Herzratenvariabilität - sie sagt etwas über die Flexibilität des Organismus aus - und die Beurteilung der Befindlichkeit und Vitalität voraus. Ein Burnout ist ein klinischer Zustand, der Patient braucht in erster Linie Erholung und Ruhe. "Dieses völlige 'Rausnehmen' ist nicht ganz einfach, denn meistens ist das Burnout mit einer Depression gekoppelt", so Amesberger. Der Betroffene wird psychologisch betreut und medizinisch kontrolliert, unter anderem wird das Blutbild genau beobachtet. Eine einheitliche Therapie gibt es aufgrund der Vielfalt der Symptomatik nicht.

Bevorstehende Wettkämpfe werden abgesagt, das Training auf ein Regenerationstraining reduziert. Wie lange es dauert, bis sich ein Sportler vom Burnout erholt hat, hängt von vielen Faktoren, mitunter von der Persönlichkeit ab. „Manche erholen sich ab jenem Moment sehr schnell, in dem das Gebilde, immer alles halten zu müssen, zusammenbricht, bei anderen dauert es sehr lange", so Amesberger. Auch ein zu früher Wiedereinstieg kann zur Verzögerung der Genesung führen.

Regenerationsphasen und positives soziales Umfeld

Um Überforderung, Depression und letztendlich einem Burnout vorzubeugen braucht es vor allem zwei Komponenten: Auf trainingswissenschaftlicher Seite eine genaue Planung mit entsprechenden Regenerationsphasen. "Denn ohne erholende Pausen, Energiezufuhr und einem ausreichenden Schlafanteil kann die Leistung unmöglich gesteigert werden", erläutert Amesberger. Auf psychischer Seite ist auf ein positives soziales Umfeld zu achten. Der Sportler muss für den Aufwand Belohnung, Zuwendung und Anerkennung bekommen und auch dann soziale Unterstützung erhalten, wenn es einmal nicht so gut läuft.

Zu guter Letzt hilft es, sich gedanklich nicht ständig auf Ergebnisse zu fixieren. "Wenn wir etwas emotional zu sehr wollen, wird unser Wahrnehmungssystem deprimiert, darunter leidet wiederum die Leistung", so Amesberger. Immer wieder sieht man im Fernsehen strahlende Sieger, die auf die Frage nach ihrem Erfolgsrezept Antworten geben wie: "Ich bin ganz locker ins Rennen gegangen und habe mir nichts Besonderes vorgenommen." (derStandard.at, 20.06.2011)