Foto: Buchcover/C. Bertelsmann

Sven Kuntze war in Deutschland so bekannt wie Armin Wolf in Österreich: Jahrelang war er als Korrespondent und Moderator im US-Fernsehen präsent. Eine gewisse Prominenz erreichte er auch als Vater. Seine Tochter zog ins Kanzleramt ein - deren Mutter Doris Köpf hatte kurz zuvor Gerhard Schröder geheiratet. 

Von einem Tag auf den anderen verschwand Kuntze aus der Öffentlichkeit. Der Journalist, Jahrgang 1942, zog in ein Seniorenheim und drehte noch einmal eine Reportage: Alt sein auf Probe nannte er den Bericht über seine Erfahrungen, für den er mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet wurde. Wie es ihm seit seiner Pensionierung ergangen ist, schildert Kuntze nun in einem Buch: Sehr offen erzählt er, wie es ist, in ein Loch zu fallen, plötzlich keine Einladungen mehr zu bekommen, nicht mehr wahrgenommen zu werden. Auch nicht mehr von Frauen. Wohl deshalb hat das Buch den nicht sehr geglückten Titel Altern wie ein Gentleman. Sehr freizügig gibt er seine Erfahrungen mit Sexualität wieder: "Wir sind dabei, im Alter den gefühlsneutralen, auf die Mechanik einer Luftpumpe reduzierten Geschlechtsverkehr zu erfinden", schreibt er mit Bezug auf Viagra. 

Selbstbestimmtes Sterben

Kuntzes Buch hat in Deutschland heftige Debatten ausgelöst, weil er für selbstbestimmtes Sterben eintritt, wenn keine Heilung mehr möglich ist. "Es geht um das Recht, im Vollbesitz unserer Kräfte Abschied zu nehmen, den Zeitpunkt unseres Todes selbst zu bestimmen und die Hoheit über die Erinnerung an uns zu behalten", begründet Kuntze seinen Vorstoß. Wie er richtig beobachtet, ist die Debatte um den Freitod auf vielen Ebenen bereits in Gang. Seiner Wahrnehmung nach "beginnen die Vierziger, das Thema vorsichtig in der Öffentlichkeit zu platzieren". Kuntze gibt auch Gespräche im Seniorenheim und in seinem Bekanntenkreis wieder, die sich um dieses Thema drehen. Kuntze argumentiert differenziert und regt mit seinem Buch zum Nachdenken an: nicht nur über den Tod, sondern vor allem über das eigene Leben. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, Printausgabe, 20.6.2011)