Bild nicht mehr verfügbar.

Glück ist für jeden etwas anderes. Diese niederländische Nonne scheint bei ihrem Marsch durchaus glücklich.

Foto: EPA

Alan Krueger

Foto: Privat

DER STANDARD-Schwerpunkt Thema Glück

Foto:

Was Menschen wirklich gerne tun und worunter sie am meisten leiden, erzählte Alan Krueger Eric Frey.

***

STANDARD: Gemeinsam mit dem Psychologen und Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman haben Sie in den vergangenen Jahren in den USA groß angelegte Glücksmessungen unternommen. Wie gehen Sie das an?

Alan Krueger: Wir fragen die Menschen, was sie in einem bestimmten Augenblick empfinden. Am meisten interessiert uns, wie oft sie Schmerz, Zorn oder Stress fühlen. Und das verknüpfen wir mit dem, was Menschen gerade tun, und zählen dann die Momente des Tages zusammen.

STANDARD: Und damit messen Sie, wie zufrieden die Menschen sind?

STANDARD: Das momentane Empfinden ist nicht das Gleiche wie die Lebenszufriedenheit. Es kann überlappen oder auch nicht. Manchmal verrichtet man unangenehme Tätigkeiten, die einem doch als sehr wertvoll erscheinen. Aber das momentane Empfinden lässt sich genauer und verlässlicher messen als die allgemeine Zufriedenheit.

STANDARD: Auf welche Weise manifestiert sich denn das Glück?

Krueger: Eigentlich konzentrieren wir uns auf Unglück und auf das, was unglücklich macht. Das sollte auch das Hauptaugenmerk der Politik sein: Unglück zu vermeiden, nicht Glück zu verbreiten.

STANDARD: Und was macht Menschen unglücklich?

Krueger: Das meiste Unglück ist auf wenige Menschen konzentriert. Aber manche Tätigkeiten mag niemand, zum Beispiel zur Arbeit pendeln. Die Beschäftigung mit Kindern ist für Frauen eine unangenehme Tätigkeit, für Männer hingegen viel weniger. Aber es gibt auch oft gute Gründe, Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen. Kindererziehung ist mühsam, aber ich würde niemandem empfehlen, darauf zu verzichten.

STANDARD: Was hat Sie bei den Ergebnissen besonders überrascht?

Krueger: Wie sozial die Menschen sind und wie gerne sie Zeit mit anderen verbringen. Die Ausnahme ist der eigene Chef, der verursacht Stress bei Männern und Frauen.

STANDARD: Macht mehr Geld zu haben glücklicher?

Krueger: Es gibt zwar einen Zusammenhang, aber der ist viel schwächer als gedacht und erreicht bei einem Haushaltseinkommen von etwa 50.000 bis 70.000 Euro ein Plateau. Die Reichen sind nicht viel glücklicher. Das liegt daran, dass man Geld vor allem für Dinge ausgibt, die nicht so viel Glück bringen. Man sollte sich eher schöne Erlebnisse kaufen: Urlaub, Reisen, ein Essen mit Freunden.

STANDARD: Warum sind Sie denn als Ökonom an der Glücksfrage so interessiert? Ich dachte, das ist etwas nur für Psychologen.

Krueger: Die Ökonomie will die Gesellschaft so organisieren, dass die Menschen den größten Nutzen daraus ziehen können. Und das hängt mit Empfindungen zusammen. Außerdem wollen die Ökonomen wissen, womit die Menschen ihre Zeit verbringen, vor allem, wie viel sie arbeiten. Viele Menschen hängen der Illusion nach, dass mehr Geld ihre Probleme lösen würde, aber wir Ökonomen haben von den Psychologen gelernt, dass das nicht stimmt. Das Leben ist halt komplizierter.

STANDARD: Können und sollten Ihre Ergebnisse wirtschaftspolitische Entscheidungen beeinflussen?

Krueger: Es fällt auf, wie sehr Arbeitslosigkeit das seelische Wohlbefinden der Betroffenen schädigt. Das geht über den Einkommensverlust weit hinaus. Man fühlt sich verstoßen und isoliert. Viele Ökonomen sagen, Arbeitslosigkeit sei kein so großes Problem, wichtiger sei starkes Wachstum. Aber Wachstum allein reicht nicht. Das ist ein starkes Argument für mehr Teilzeitarbeit und die Schaffung von Jobs, selbst solchen mit geringem Lohn.

STANDARD: Ist das Glück auch vom jeweiligen Land und von nationalen Eigenheiten abhängig?

Krueger: Wir haben Vergleichswerte aus Frankreich und Dänemark. Überall verbringen die Leute gerne Zeit mit Freunden, aber französische Frauen leiden weniger unter der Kindererziehung als Amerikanerinnen. Bei den Franzosen hat sich auch gezeigt, dass sie mehr Zeit mit Essen verbringen. Die Amerikaner essen auch lange, aber schauen dabei fern - und werden so immer dicker.

STANDARD: Was halten Sie von dem Konzept der "Gross National Happiness"? Ist es ein besseres Kriterium als das Bruttoinlandsprodukt?

Krueger: Das ist vor allem durch die Sarkozy-Kommission populär geworden und ist eine positive Entwicklung. Ökonomen wussten immer schon, dass das BIP zwar ökonomische Aktivitäten, aber nicht die Lebensqualität misst. Wachstum ist halt nicht alles. Ein weiterer Indikator ist wertvoll, aber man muss sich bewusst sein, dass die ersten Ergebnisse noch nicht viel aussagen. In vielen Befragungen werden die Antworten etwa durch die vorhergehenden Fragen verzerrt. Es bereitet mir Sorgen, wenn Regierungen versuchen, das Glück ohne entsprechende Ressourcen zu messen. Wenn man sich überlegt, wie viele Mittel in die Messung des BIPs fließen, kann man nur davor warnen, das auf billig zu tun.

STANDARD: Sind Amerikaner über die Jahre glücklicher oder unglücklicher geworden?

Krueger: Frauen verbringen mehr Zeit in der Arbeit und weniger im Haushalt. Das macht sie etwas weniger glücklich, weil sie unter ihren Bossen leiden. Männer arbeiten weniger und verbringen mehr Zeit vor dem TV-Gerät. Fernsehen ist eine neutrale Tätigkeit, die weder glücklich noch unglücklich macht. Insgesamt haben die Männer etwas Glück gewonnen, die Frauen hingegen nicht.