Marah und Luna unterhalten sich darüber, was sie glücklich macht: Gedichte schreiben, Pferde und ein Ausflug mit den Eltern.

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Kann man Glücklichsein überhaupt lernen? "Wir nennen es 'einen guten Geist haben'", sagt Frau Teufel.

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DER STANDARD-Schwerpunkt Thema Glück

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Wien - Luna streicht ihrer Freundin über den Rücken, klopft danach kräftig neben der Wirbelsäule hinauf und wieder herunter und sagt zum Abschluss: "Danke, dass ich dir etwas Gutes tun durfte." Kindgerechte Übungen, wie der "Felsen", stehen in der Schule am Friedrichsplatz ebenso auf dem Unterrichtsplan wie kleine Tricks, mit denen sich die Kinder selbst wieder aufmuntern können, wenn sie einmal einen grantigen Tag haben. "Nur wenn wir wissen, wie es uns geht, verstehen wir auch besser, wie es den anderen geht", erklärt Teamlehrerin Karin Märzinger den Kindern.

In der Volksschule in Rudolfsheim-Fünfhaus wird nach dem Unterrichtsprinzip "Glück" gelernt und gelehrt. Auf der Tafel klebt ein Blatt Papier mit dem chinesischen Schriftzeichen für Glück, daneben vier Smileys, von denen einer die Mundwinkel hängen lässt. "Für jeden negativen Gedanken sollten wir versuchen, drei positive zu haben", erklärt Ingrid Teufel, die Klassenlehrerin.

Kann man Glücklichsein überhaupt lernen? "Wir nennen es 'einen guten Geist haben'", sagt die blonde Mitfünfzigern vergnügt. Sie selbst entscheide sich jeden Morgen bewusst dafür, dass der Tag gut werde. Die Kinder sollten in ihren Begabungen gestärkt werden - "leider sucht unser Schulsystem nur die Schwächen", sagt die Pädagogin, die seit 38 Jahren in der Schule am Friedrichsplatz unterrichtet.

Teufel ist dennoch weit davon entfernt, eine Man-muss-immer-alles-positiv-sehen-Missionarin zu sein. "Das kann nicht funktionieren, unsere negativen Gefühle gehören genauso dazu, sie sollten nur nicht unser Leben beherrschen", sagt sie und verteilt "Glücks-Bleistifte" an die Kinder, die nach den Entspannungsübungen wieder im Sesselkreis Platz genommen haben.

"Ich habe jetzt einen Zaubertrick für euch", verkündet sie und zeigt ihren kichernden "Glückskäfern", wie sie den Stift quer zwischen die Zähne klemmen sollen. "Damit werden dieselben Muskeln wie beim Lächeln aktiviert und zeigen unserem Gehirn, dass es uns gutgeht."

Studien zeigen, dass nicht nur das Gehirn die Mimik beeinflusst, sondern dass dies auch umgekehrt funktioniert. Bei einem Versuch mussten Erwachsene, die mit Bleistiften zwischen den Zähnen Lächelsignale an das Gehirn sandten, Fotos von Leuten nach den Kriterien "sympathisch" und "unsympathisch" beurteilen. Die Kontrollgruppe wurde gebeten, beim Betrachten der Bilder die Augenbrauen zusammenzuziehen. "Die erste Gruppe beurteilte die Menschen auf den Fotos weitgehend als sympathisch, jene, die ein missmutiges Gesicht gemacht hatten, fanden den Großteil der Abgebildeten unsympathisch", schildert Heide-Marie Smolka.

Vergleich macht unsicher

Smolka hat bereits ein Buch für Erwachsene verfasst (Mein Glückstrainingsbuch), derzeit arbeitet sie gemeinsam mit Ingrid Teufel an einem Schulbuch zu dem Thema. Bereits die Kleinen würden nämlich schon in die Vergleichsfalle tappen, die dem Glück im Wege steht. "Wir orientieren uns immer daran, was wir nicht haben oder können", sagt die Glückstrainerin. Auch die Kinder sähen häufig nur, dass der Freund ein tolleres Computerspiel oder die Schulkollegin eine coolere Jacke hat. "Man kann den Kindern vermitteln, dass man auch in die andere Richtung vergleichen und sich bewusstmachen kann, wie gut es einem im Grunde geht."

Die Kinder in Teufels Klasse erzählen sich immer wieder gegenseitig, was sie froh macht, und füllen kleine Zettel aus, auf denen sie ihre schönen Momente beschreiben können. "Ich bin glücklich, wenn ich mit jemandem über Pferde reden kann", steht auf einem. "Ich bin glücklich, wenn ich meine kleine Schwester auf der Schaukel so anschubse, dass sie laut lacht", schreibt ein anderes Kind. Die Zettel werden gesammelt und an die Glücksmeldestelle im Internet weitergeleitet. Obwohl manche nicht so recht wissen, was sie mit ihrem Glück anfangen sollen. Leon kommt mit seinem Zettel zu Ingrid Teufel. "Du, wo soll ich denn meinen Glücksmoment hingeben?" (Bettina Fernsebner-Kokert, STANDARD-Printausgabe, 22./23.6.2011)