Vor 70 Jahren, am 22. 6. 1941, begann der furchtbarste Krieg der Weltgeschichte, der Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion. Er war von Hitler als Raub-, Vernichtungs- und Versklavungskrieg angelegt, als weltanschaulicher Krieg, in dem eine überlegene "Herrenmenschenrasse" die "slawischen Untermenschen" dezimieren und auf den Status von Sklaven reduzieren sollte. Die Sowjetunion verlor dabei 27 Millionen Menschen, die Mehrheit davon Zivilisten. Auf deutscher Seite fielen drei Millionen Soldaten.

Es war auch der bestangekündigte Krieg der Neuzeit. Hitler schrieb schon 1924 in Mein Kampf, das später in Millionenauflage verbreitet wurde, Deutschland müsse sich "Lebensraum im Osten", in Russland, verschaffen. Einen Monat nach seiner Machtergreifung im Jänner 1933 entwickelte er vor hohen Offizieren einen entsprechenden Plan, den er dann über die Jahre vor verschiedenen Auditorien immer aufs Neue wiederholte. Im Sommer 1940, nachdem er zum Herrscher über Kontinentaleuropa bis zur russischen Grenze geworden war, teilte er seinen Generälen seine Absicht mit, binnen Jahresfrist die Sowjetunion anzugreifen. Von vornherein ließ er dabei keinen Zweifel, dass dieser Krieg eine andere Qualität haben werde. Die Kriegsregeln würden nicht mehr gelten ("der russische Soldat ist vorher kein Kamerad und nachher kein Kamerad"), die Absicht sei nicht nur die Vernichtung des "bolschewistischen Systems" , die Ausrottung seiner Repräsentanten ("Kommissarbefehl"), sondern eine gigantische ethnische Säuberung. Dutzende Millionen von sowjetischen Zivilisten sollten teils aktiv umgebracht (vor allem die Juden), teils hinter den Ural getrieben, teils bewusst dem Hungertod preisgegeben werden. Der Rest sollte als analphabetische Helotenschicht den deutschen Besatzern und Siedlern dienen. Dieses Programm ist wortwörtlich aus Hitlers sogenannten "Tischgesprächen im Führerhauptquartier" überliefert und wurde in großen Teilen auch umgesetzt.

Die Massenerschießungen von Juden begannen sofort nach dem Einmarsch im Hinterland. Eigens dafür aufgestellte Einheiten wie etwa die I. SS-Infanteriebrigade, in der auch der spätere FPÖ-Vorsitzende Friedrich Peter diente, aber auch Polizeibataillone, ermordeten bis 1942 rund 700.000 Juden (dann begann die industrielle Vernichtung durch Giftgas). Die Wehrmacht leistete dabei unverzichtbare Hilfsdienste und beteiligte sich auch insofern am Massenmord, als sie der Zivilbevölkerung bewusst die Lebensgrundlagen entzog. Außerdem ließ die Wehrmacht 3,3 Millionen sowjetische Kriegsgefangene umkommen. Im "Generalplan Ost" wurde die Ausbeutung und Versklavung der sowjetischen Zivilbevölkerung planmäßig durchgezogen.

Hitlers Gegner war ebenfalls ein mörderisches Regime. Durch Stalins "Säuberungen" und einen "Klassenkrieg" gegen die Bauern der Ukraine waren ebenfalls Millionen umgekommen. Das ändert aber nichts am Charakter von Hitlers völkermörderischem Angriffskrieg. Die heute noch erhobene Behauptung, Hitler wäre Stalin nur zuvorgekommen, ist längst widerlegt. Die Sowjetunion war zu einem solchen Angriff nicht in der Lage und hielt ihn auch nicht für notwendig. Stalin erwartete höchstens, dass sich Deutschland und die Westmächte gegenseitig zerstören würden. Bis lange nach Kriegsende wurde in Deutschland und Österreich aber der Charakter dieses Krieges geleugnet und die Wehrmacht als "sauber" betrachtet. Jörg Haider erklärte etwa in den 90er-Jahren öffentlich, die SS habe in Russland "die Demokratie verteidigt" .

Diese Denkweise - oder auch nur die Idee, das wäre ein "normaler Krieg" gewesen, in dem man "seine Pflicht getan" hatte - hielt sich jahrzehntelang. Heute hält sich die Ansicht nur noch im Umkreis von Heinz-Christian Strache. (Hans Rauscher/DER STANDARD, Printausgabe, 22.6.2011)