Doris Krumpl

Wien - Traue keinem Einzelbild: Es ist eindimensional. Traue keinem Künstler über 30, der immer das Gleiche macht. Einer der Gegenentwürfe dazu könnte die Arbeit von Allan Sekula (52) sein. Der "Konflikt unterschiedlicher Stimmen" interessiert den Fotografen, Fototheoretiker und brillanten Essayisten. Ähnlich der hohen Form der Comics, den Graphic Novels, schuf der gebürtige Amerikaner den Begriff der "Photo Novel" für seine - immer serielle - Fotografie. Es gibt bei ihm eine "Resistenz gegen die sofortige Erfassung eines Kunstwerkes", und genau das macht seine in bescheidenen Formaten ausgearbeiteten Fotoserien nachhaltig und lebendig.

Wenn es so etwas wie eine Konstante im Werk geben kann, dann den Anspruch des Fotografen, alles Gesehene, Aufgezeichnete als theatralisch, performativ zu sehen - aber nicht im Sinne von outrierter Exzentrik. Weder neuromantischer Ästhetizismus noch nüchtern-sachlicher Dokumentarstil, beides schwer angesagt in der zeitgenössischen Fotografie, passen auf Sekula. Dieses Ringen um verschiedene Modi beherrscht er virtuos. Fast jedem seiner Bilder wohnt die Möglichkeit eines Filmes inne, er spricht vom Theatralischen im alltäglichen Leben.

Daher rührt auch der Titel der längst fälligen wie verdienstvollen Personale in der Generali Foundation: Performance under Working Conditions. Hier wiederholt man nicht die Serie Fish Story, die Sekula nach der Documenta 11 populär machte, sondern konterkariert seine frühen, auch performativen Arbeiten mit aktuellen.

Gerade in Zeiten neuer Antikriegsbewegungen frappieren Fotoaktionen wie Two, three, many ... (terrorism), auf denen ein mit Vietnamesenhut und Plastik-MP ausgestatteter Mann durch die Vorstadt robbt. Auf vergleichbaren Bildern der 90er-Jahre scheint der öffentliche Raum selbstverständlich militarisierte Zo- ne zu sein.

Viele Serien entstanden aus Sekulas persönlicher Geschichte heraus, etwa die raumfüllende Fotoinstallation Aerospace Folktales (1973) oder - als er in einem Schnellrestaurant jobbte - entlarvend-grausliche, der beschönigenden Gastrofotografie entgegengesetzte Abbilder vom angebotenen Essen.

Häfen und das Meer, einerseits als vergessene Orte, andererseits auch als Schnittstellen sich ändernder globaler Ökonomie, finden sich oft in Sekulas Werk. Zu Beginn der WTO-Proteste hielt sich der Künstler in Seattle auf und dokumentierte dies in der Dia-Serie Waiting for Tear Gas. Sekulas jüngste Arbeit, die Serie Black Sea/Marea Negra, entstand auf Einladung der Zeitung La Vanguardia, in deren Auftrag er die durch den "Prestige"-Tanker verursachte Ölpest vor der galicischen Küste fotografierte - "wie eine (tragische) Oper". Mediale Berichterstattung über die Katastrophe gab es in den USA, im Gegensatz zu Europa, so gut wie gar nicht, sagt Sekula - das demonstriere deutlich den Narzissmus der US-Medien. Traue keinen Medien: Solange es Leute wie Sekula gibt, keimt (noch) Hoffnung auf. Bis 17. 8.

Heute, 19 Uhr, Ausstellungs-
gespräch A. Sekula und Franko
Petri (Greenpeace) über die
Ölkatastrophe in Spanien