Im September soll es endlich so weit sein: Fast acht Jahre nach Unterzeichnung des Dayton-Friedensvertrages, der den Bosnien-Krieg im Dezember 1995 formal beendete, wollen Mitarbeiter der Protektoratsbehörde des Hohen Repräsentanten, der Nato-Schutztruppe Sfor, der OSZE sowie bosnische Vertreter Pläne zur Zusammenlegung der bis heute getrennt operierenden Armeen der beiden als Entitäten bezeichneten Bundesländer vorlegen. Die vom US-Militärexperten James Locher geleitete Kommission soll so die wohl wichtigste Voraussetzung zur Anfang 2004 angestrebten Aufnahme Bosniens in die Nato-Partnerschaft für den Frieden (PfP) erfüllen.

Für das kleine Nachkriegsland bedeutet die Zerschlagung der ehemals verfeindeten Armeen von Republika Srpska und muslimisch-kroatischer Föderation fast schon eine Revolution. Denn ohne die Zustimmung der internationalen Dayton-Verhandlungsmächte zum Fortbestand der beiden Einheiten unter getrenntem Kommando wäre der Bosnien-Krieg nie beendet worden - und die Schaffung eines Einheitsstaates Illusion geblieben. Fragiles Friedensgerüst

Um das fragile Friedensgerüst nicht zum Einstürzen zu bringen, hatten es die drei Vorgänger des derzeitigen Hohen Repräsentanten Paddy Ashdowns stets abgelehnt, Eingriffe in das Dayton-Vertragswerk zu unternehmen. Doch damit scheint nun Schluss: Wenn die Vorschläge der Kommission wie geplant bis zum 1. Jänner 2004 vom Parlament in Sarajewo ratifiziert werden, würden die umfassenden Rechte der Entitäten zum ersten Mal eingeschränkt. Zwar sind die Proteste vor allem von serbischer und kroatischer Seite noch nicht verstummt.Doch die weit gehenden Befugnisse Ashdowns sowie die Drohung der USA, sämtliche Militärhilfen zu kürzen und ihre Soldaten aus der Nato-geführten Bosnien-Schutztruppe Sfor abzuziehen, machen ein Scheitern der Reform unwahrscheinlich.

Als Ironie der Geschichte mag deshalb eines Tages die Tatsache gelten, dass es ausgerechnet bosnisch-serbische Stellen waren, die Ashdown die Gelegenheit zur umfassenden Umgestaltung des militärisch-industriellen Komplexes des Vier-Millionen-Einwohner-Landes boten. Nachdem bereits im vergangenen Jahr der Export von Militärgütern durch die in Bjeljina gelegene Waffenfabrik Orao an den Irak zum Rücktritt des Generalstabchefs in Banja Luka geführt hatte, zog Anfang April auch das serbische Mitglied im dreiköpfigen Staatspräsidum, Mirko Sarovic, die Konsequenz aus dem Bruch des UNO-Embargos und trat wegen der so genannten Orao-Affäre zurück. Ashdown ordnete noch am selben Tag die Auflösung des Obersten Verteidigungsrats der Republika Srpska an, die für die Kontrolle von Exporten und Importen zuständig war.

Mit der Einrichtung der Locher-Kommission könnte es dem Hohen Repräsentanten gelingen, dass acht Jahre nach Kriegsende ein wirklicher Schlussstrich gezogen wird. Denn mit der bis Jahreswechsel vorgesehen Reduzierung der Sfor-Einheiten auf nur noch 7000 Mann führt eigentlich kein Weg daran vorbei, dass das bosnische Militär selbst die Verantwortung über die Sicherheit im Lande übernimmt. (Markus Bickel/DER STANDARD, Printausgabe, 22.5.2003)