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"Hattest du zu Hause Matador?" "Natürlich." Seinen technischen Hausverstand hätte er auf jeden Fall dem Baukasten zu verdanken, gerät ein Freund ins Schwärmen. Von wo sonst sollte er sein physikalisches Wissen um Hebelwirkung, Kraftübertragung, Wärmelehre und Reibungselektrizität bezogen haben? Und räumliches Vorstellungsvermögen war in dem Paket auch noch enthalten.

Die gefinkelten Verbindungen, die Räder, Scheiben und Stangen an der richtigen Stelle, die zur Folge hatten, dass der Reckturner sich drehte oder eben nicht, dass beim Kran mit Zahnrädern eines ins andere griff und er sich deswegen nach oben, unten und rundherum bewegen ließ und bei Belastung nicht überkippte. Dass die Lok, weil korrekt zusammengebaut, im Führerhaus Platz fürs Manderl ließ, dass die Feuerwehr mit ihrem beweglichen Arm so beweglich wie nötig war, um die Plastilinkatze aus dem Osterstrauchbaum zu retten. Wenn noch mehr Leute auch nur einen Bruchteil ihres technischen Hausverstandes - und das trifft garantiert zu - Matador zu verdanken haben, dann hat der "Technische Baukasten" Beachtliches geleistet. Und das war auch die Idee, die dahinter steckte.

Sortiert nach Größe und Art

Die Vielzahl der Bausteine, sortiert nach Größe und Art, die unzähligen Kombinationsmöglichkeiten durch die einheitliche Passform waren nicht für das reine Vergnügen konzipiert: "Das Kind sollte mithilfe eines solchen Baukastens erkennen lernen, wie Einzelnes zum Ganzen wird und das Ganze wieder teilbar ist", wie es in einem Ausstellungskatalog des Deutschen Museums anlässlich der Schau zur 200-jährigen Geschichte von Baukästen heißt.

Konstruktionsbaukästen mit dem Merkmal der Lochleisten in gleichmäßigenm Lochabstand wurden um 1900 unabhängig voneinander entwickelt und gingen schon damals als pädagogisch wertvoll durch. Das erste patentierte Holzmodell geht auf Flugpionier Otto Lilienthal zurück, der Metallbaukasten Meccano schaffte es in unzählige Kinderzimmer, und der Wiener Johann Korbuly erfand Matador. Der Legende nach war Vater Korbuly der Quengeleien seines sich gegenseitig die Bauwerke zerstörenden Nachwuchses überdrüssig, worauf er sein technisches Geschick als Geometer und Baumeister in die Entwicklung von Matador einbrachte. Korbuly war unter anderem für die Trassierung und Bauleitung der Grazer Schlossbergbahn zuständig. Mit der Patentierung 1903 war ein weiteres Werkzeug zur Heranziehung kleiner technischer Genies im Namen des Fortschritts geboren. Korbuly produzierte zunächst in Wien, später im niederösterreichischen Pfaffstätten.

1973 verarbeiteten rund 60 Arbeitnehmer bis zu 1000 Kubikmeter Buchenholz aus dem Wienerwald. Fünf Jahre später kaufte Zeitungsverleger Kurt Falk den Familienbetrieb. Unter seiner Ägide hielten Plastik und Farbe Einzug in die ehemals puristisch hölzerne Bauklotzwelt, wegen mangelnden Erfolges wurde 1987 die Herstellung eingestellt. Erst 1996 legte das heimische Unternehmerpaar Michael und Claudia Tobias Matador in Ausführung und Inhalt ziemlich genau den Kästen der 50er-Jahre entsprechend wieder auf. In der Tischlerei Digas in Waidhofen an der Thaya werden heute pro Jahr rund 200 Kubikmeter heimischen Buchenholzes zum Teil an den alten Maschinen und in traditioneller Manier zu rund 50.000 Baukästen verarbeitet, die in Kinderzimmer rund um den Globus expediert werden. (Regina Bruckner, Der Standard/rondo/23/5/2003)