Pioniere sind üblicherweise Menschen oder Firmen, die viel riskieren, um viel zu gewinnen. Nokia beispielsweise, die früher Papier, Gummistiefel und Traktoren neben ein wenig Telekommunikation machten, setzte in den 80er-Jahren alles auf eine Karte: das GSM-Handy - und gewann den Markt, den sie hervorbrachten.

UMTS

Um diesen rauschenden Erfolg zu wiederholen, setzte Nokia auf die dritte Handygeneration UMTS, war aber inzwischen vorsichtiger geworden und gab den Hauptteil des Risikos an andere ab, nämlich die Mobilfunkbetreiber. Diese glaubten noch an den Goldrausch und investierten fast alles was sie hatten und was ihnen die Bank borgte, auf UMTS. Jetzt stehen die meisten hochverschuldet mit leeren Händen da und suchen nach neuen Pionieren.

Neue "Spielregeln"

Für die neuen Pioniere - die ersten Konsumenten der UMTS-Baustelle - wurden aber die Spielregeln geändert: Sie riskieren relativ viel Geld ohne Aussicht auf Gewinn. Denn die UMTS-Angebote, die seit kurzem auf dem Markt sind, haben den Charme der Teilnahme an einem teuren Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Das fängt bei Geräten an, die so teuer sind (rund 800 Euro) wie groß; und schwer und nach wenigen Stunden den akkugetriebenen Geist aufgeben. Schon deswegen wird das UMTS-Handy meist ein Zweithandy sein - wer verlässlich telefonieren will, wird sich nicht so bald von seinem GSM-Handy trennen.

"Seht her, ich bin dabei"

Der Nutzen für den privaten Konsumenten beschränkt sich bis auf weiteres auf den Herzeigeeffekt: Seht her, ich bin dabei. Leider an vielen Wirtshaustischen nicht wirklich vorführbar, da das Netz im Allgemeinen und im Besonderen im Gebäudeinneren mit Ausfällen auffällt.

Wozu der Aufwand?

All das sind Kinderkrankheiten - die eigentliche Frage bleibt: Wozu der Aufwand? Videotelefonie, von Hutchison als neue "Killerapplikation"; gepriesen, ist schon im Festnetz (oder über PC und Internet) durchgefallen. Warum soll sie dann ausgerechnet beim Gehen oder Autofahren zum Hit werden? Und Mini-Videos gegen Geld? Wir warten auf den Beweis, dass kleine, schlechte Laufbilder in einer überstimulierten Gesellschaft zum großen Geschäft werden.

Technologie-Prognosen sind eine riskante Sache. Selbst IBM-Gründer Thomas Watson hat sich mit seiner Schätzung, die Welt brauche höchstens fünf Computer, ins Lexikon der Irrtümer eingetragen. Zahlende UMTS-Pioniere werden Gelegenheit haben herauszufinden, wie viele UMTS-Handys der Markt brauchen wird. (Rondo; DER STANDARD Print, 23.5.2003, Helmut Spudich)