New York/München/Berlin - Die neue Irak-Resolution, über die der UNO-Sicherheitsrat in New York noch am heutigen Donnerstag abstimmen soll, und die zustimmende Haltung der Kriegsgegner zu dem modifizierten amerikanischen Entwurf sind Gegenstand zahlreicher Pressekommentare.

"The New York Times":

"Zu Beginn des Jahres hatten die USA es aufgegeben, eine Zustimmung des UN-Sicherheitsrates für die Irak-Invasion zu bekommen, und sie griffen trotzdem an. Jetzt kontrolliert Washington den Irak und seine Ölfelder, will aber dafür den Segen der Vereinten Nationen. (...) Die meisten Ratsmitglieder sind verständlicherweise weiter unzufrieden mit der eigenmächtigen Besetzung des Landes, wissen aber, dass eine Blockadehaltung sinnlos wäre. Ihnen ist klar, dass das Beste ist, wenn man jetzt eine so umfangreiche Beteiligung der UN wie möglich herausholt (...). Die amerikanische Resolution wurde überarbeitet und ist nun besser als zuvor. (...) In gewisser Weise erscheinen die Änderungen zwar kosmetischer Art, denn die Amerikaner haben weiterhin überwältigend viel Einfluss im Irak. Doch mit dem Zugeständnis einer größeren UN-Beteiligung erkennt Washington an, dass ein Wiederaufbau durch die USA im Alleingang weder machbar noch ratsam ist."

"Der Tagesspiegel":

"Die transatlantischen Beziehungen befinden sich, ausgelöst durch den Streit um den Irak-Krieg, in der tiefsten Krise seit Gründung der NATO. In dieser Krise spiegeln sich grundsätzliche Differenzen über die Zukunft des Völkerrechts und der Vereinten Nationen. Die Nationale Sicherheitsstrategie der USA vom 20. September 2002, die ausgefeilte Bush-Doktrin, nimmt für die USA ein Sonderrecht auf präventive Selbstverteidigung und jedwede Art von vorwegnehmenden Aktionen in Anspruch und kündigt damit der UN-Charta die Loyalität auf. Die größte Errungenschaft in der Geschichte des Völkerrechts, die Ächtung des Angriffskriegs, ist damit von der stärksten Militärmacht der Welt außer Kraft gesetzt worden - von derselben Macht, der die Welt diese Errungenschaft verdankt. Das ist ein revolutionärer Akt, dessen einschneidende Bedeutung vielen Europäern noch gar nicht bewusst geworden ist. (...) Theorie und Praxis des amerikanischen Unilateralismus stellen die viel beschworene westliche Wertegemeinschaft radikal in Frage. (...) Eine neue Spaltung Europas käme manchen Falken in Washington gerade recht, entspräche sie doch der klassischen imperialen Devise 'Divide et impera' - Teile und herrsche. Für die Europäer hingegen wäre ein neuer Riss durch den Kontinent tragisch."

"Süddeutsche Zeitung":

"Ein Vergleich zwischen Bush-Doktrin und Breschnjew-Doktrin verdeutlicht den Irrweg der USA: Breschnjew vertrat das machtpolitische und militärische Dogma, außer der Sowjetunion besitze kein Staat des Warschauer Pakts oder des sozialistischen Lagers volle Souveränität; Moskau sei stets verpflichtet, 'Bruderländer' vor dem Verlust des Sozialismus oder vor dem Ausscheiden aus dem kommunistischen Block unter Einsatz militärischer Mittel zu bewahren. Die Bush-Doktrin weitet das Axiom der eingeschränkten Souveränität der Staaten (mit Ausnahme der USA) dahingehend aus, dass Amerika berechtigt sei, seine Interessen an jedem Ort des Globus durchzusetzen. George W. Bush vertritt damit eine globalisierte Variante der Breschnjew-Doktrin als sein Verständnis der 'Modernisierung des Völkerrechts'".

"Handelsblatt":

"Eine Einigung im UN-Sicherheitsrat bedeutet weder eine nachträgliche Legitimierung des Irak-Kriegs, wie die US-Administration glaubt, noch ein Ende der transatlantischen Eiszeit, wie die (deutsche) Bundesregierung hofft. Der sich abzeichnende UNO-Konsens ist lediglich ein taktisches Manöver, um den Schaden zu begrenzen und das Gesicht zu wahren. Bei näherer Betrachtung hingegen ist der Riss, der durch den Westen geht, tiefer denn je. Für US-Präsident Bush war der Irak ein erfolgreicher Test seiner Präventivkriegsstrategie. Viele Europäer hingegen sehen sich durch das Chaos in Bagdad in ihrer Skepsis gegenüber militärischen Abenteuern bestätigt." (APA/dpa/AFP)