Genauer gesagt geht es um: Die Zukunft der Oberstufe in höheren Schulen. Noch genauer: Die modulare Oberstufe. Vertrottelterweise läuft es in der Öffentlichkeit als: "Aufsteigen mit 3 Fünfern".

Ich schreibe deswegen darüber, weil ich mir anmaße, mich da ein wenig auszukennen. Die walz, an deren Entwicklung ich mitwirken darf, hat diese "modulare Oberstufe" seit ihrer Gründung.

Die modulare Oberstufe - wie funktioniert das?

Um zur Matura antreten zu dürfen, müssen in allen (allen!!) Fächern die notwendigen Zulassungsprüfungen positiv absolviert sein.

Wir an der walz machen das folgendermaßen: Wir bündeln, jeweils pro Fach den Lernstoff von 2 Schuljahren, es wird geblockt vorbereitet, dann treten die Jugendlichen bei einem externen Prüfer an. Einmal Englisch oder Mathematik, dann wieder Musik oder Philosophie, wie es eben der Lehrplan vorsieht, bzw. welche zeitliche Taktung wir bevorzugen. So werden dutzende Prüfungen ("Module") abgelegt.

Was passiert, wenn eine Prüfung negativ beurteilt wird?

Dann wird diese einfach nachgeholt. Man kennt dieses System ganz selbstverständlich von Universitäten. Fehlt nur ein wenig Vorbereitung, tritt man paar Wochen später an. Fehlt es an Grundsätzlichem, kann man sie auch ein halbes oder gar ganzes Jahr später nachholen.

Viele Extra-Lehrstunden sind dafür nicht notwendig. Geht es doch v.a. darum, selbst zu lernen bzw. selbst lernen zu lernen. Unterstützung gibt es von Lehrern aber auch von anderen Schülern, je nachdem, was eben fehlt. In diesem System gibt es, außer in extremen Ausnahmefällen (z.B. längerdauernde Krankheit) kein Sitzenbleiben.

Jugendliche bleiben im Klassenverband, von Theater bis zu Exkursionen, Projekten oder eben weiteren Prüfungen wird gemeinsam weitergelernt. Allenfalls im Jahr vor der Matura muss bei manchen eine längere Vorbereitungszeit eingelegt werden. Aber nicht nur wir in der walz machen das.

Mehr als 20 öffentliche Schulen praktizieren dieses Modell schon jahrelang - mit großem Erfolg

Nun ging es darum, dieses kluge und bewährte System auf die ganze Schullandschaft auszudehnen. Es bedarf der Unfähigkeit der regierenden Koalition und der Ignoranz sowie der Faulheit und Ignoranz weiter Teile der veröffentlichten Meinung, um diese Reform völlig zu vergurken und (wissentlich? oder aus Dummheit?) falsch zu informieren.

Man hätte diese modulare Oberstufe nämlich so ankündigen können: "Mit Pinsch - keine Matura" oder "Selbstbestimmt und positiv alle Prüfungen bis zur Matura absolvieren" oder man hätte sich von einem der sündteuren Spindoktoren einen guten Begriff suchen lassen. Stattdessen: "Aufsteigen auch mit drei Nichtgenügend"

Damit wird einer unwissenden, ressentimentgeladenen, an Aufklärung nur in geringem Maße interessierten Öffentlichkeit suggeriert: Faule und Dumme werden belohnt und kommen mit einer Reihe von Nichtgenügend zur Matura.

VP Obmann Spindelegger ist zwar Vizekanzler, dürfte aber auch keine drei Minuten zur Information verwendet haben, denn jetzt bläst er die Reform ab, weil sie "dem Leistungsgedanken" widerspreche. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall!

Nochmals zum Mitschreiben: Modulare Oberstufe heißt: Nur wer in allen Modulen (Fächern) eine positive Prüfung abgelegt hat, darf zur Matura antreten.

Vielleicht liest diese Zeilen auch der eine oder die andere Journalist/in und überdenkt die Berichterstattung. Oder man geht in eine der 20 Schulen und berichtet, wie es dort läuft.

Aber so genau wollen wir ja nicht hinschauen. Es könnte ja meine bequeme vorgefasste Meinung verändern. Irgendwie ist's zum aus der Haut fahren, wie verheert unsere politische und mediale Kultur ist. (Christoph Chorherr, derStandard.at, 22.06.2011)