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In Freiheit: Ai Weiwei

Foto: REUTERS/David Gray

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Ai Weiwei auf einem Archivbild aus dem November 2010

Foto: AP/Andy Wong

Nach Angaben der französischen Nachrichtenagentur AFP steht Ai Weiwei nicht unter Hausarrest. Das chinesische Außenministerium habe seine eigene englische Übersetzung der Äußerungen des Ministeriumssprechers korrigiert. Ai Weiwei darf demnach sein Haus verlassen, aber nicht die Stadt Peking.

Zuvor hatte schon der prominente Rechtsanwalt Liu Xiaoyuan, ein enger Freund des Künstlers, erklärt, die Freilassung auf Kaution bedeute, dass Ai in Peking bleiben müsse, ansonsten aber rechtlich "völlig frei" sei.

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"Wir sind so aufgeregt. Aber wir wissen gar nichts." Gegen zehn Uhr abends am Mittwoch erfahren Schwester Gao Ge und Ai Weiweis Mutter Gao Ying von anrufenden Journalisten, was die Nachrichtenagentur Xinhua in ihrem englischen Text gerade verbreitet hat. Die Polizei hat den seit 3. April von ihr verschleppten und seitdem an unbekanntem Ort festgehaltenen weltbekannten Künstler "auf Kaution" freigelassen.

Er hätte "sich gut verhalten, indem er seine Verbrechen eingestanden hat". Und sie hätten auch aus der Erwägung gehandelt, "dass er an einer chronischen Erkrankung leidet", worunter die Polizei vermutlich seinen Bluthochdruck meint. Aber er kommt frei, sagt Gao Ge. "Die Behörden hatten ihnen nur gesagt, wo sie ihn festhielten. "Wir durften nicht mal Päckchen mit Medizin oder Kleidung für ihn abgeben." Seine Frau Lu Qing durfte ihn nur ein Mal an einem unbekannten Ort für zehn Minuten sehen, um sich zu vergewissern, dass er lebt und gesund ist.

Erste Freilassung auf Kaution

Noch nie hat Chinas Polizei einen von ihr Festgenommenen "auf Kaution" freigelassen, ein Zeichen, für die Verlegenheit, in denen sich die Behörden befinden. Am Freitag beginnt Premier Wen Jiabao seine Europareise mit den Stationen Ungarn, Großbritannien und Deutschland. Am 27. und 28. Juni wird er begleitet von 13 Ministern mit der Regierungsmannschaft von Kanzlerin Angela Merkel konferieren, der erste gemeinsame Kabinettsgipfel zwischen China und Deutschland.

Da muss das Reizthema Ai Weiwei vom Tisch, zudem in Berlin schon Demonstrationen vorbereitet werden. Das Problem Chinas mit dem weltbekannten Ai Weiwei muss auch vor dem 1. Juli gelöst werden, wo Peking den 90sten Gründungsgeburtstag der Kommunistischen Partei feiert. "Grotesk", sagt Schwester Gao Ge. Am 1. Juli wäre Ai Weiwei genau 90 Tage in Polizeigewahrsam gewesen.

Absurd mutet auch der zweite Satz in der kurzen Erklärung von Xinhua an: "Diese Entscheidung ist auch davon beeinflusst worden, dass Ai wiederholt gesagt hat, dass er bereit ist, die von ihm vermiedenen Steuern zu zahlen." Gao Ge sagt: "Natürlich zahlen wir die Steuern." Pekings Behörden hatten sich nur einmal während der Zeit, als Ai Weiwei verschwunden war, zu Wort gemeldet. Sie warfen der von Ai Weiweis Frau Lu Qing gegründeten Marketinggesellschaft "Beijing Fake Cultural Development Ltd." vor, massiv Steuern hinterzogen zu haben. Sie hätte auch Rechnungsbelege vor der Steuerprüfung vernichtet. Ai Weiwei würde dahinter stecken, behauptet die Polizei.

Anwalt vermeldet Freilassung

Die Nachricht von Ai Weiweis Freilassung gibt sein Anwalt weiter, der die ganze Zeit keinen Kontakt zu Ai Weiwei aufnehmen durfte. Er veröffentlicht sie in seinem Blog. Sie verbreitet sich innerhalb von Minuten über Mikroblogs im Internet und stößt überall erst einmal auf Unglauben. Viele schreiben, dass sie den ganzen Tag solche Gerüchte gehört hatten und nun auf die Nachricht gewartet hatten. Einige der Blogs werden von Zensoren sofort gelöscht,  sogar der Nachdruck der originalen Xinhua-Nachricht. Offenbar wissen selbst viele Zensoren noch nicht Bescheid. Einer der kritischen Blogger aber fragt: "Und was ist mit Wen Tao, Xiao Pang, Buchhalterin Hu und Liu Zhengang?" Die vier Mitarbeiter Ai Weiweis waren mit ihm oder kurz nach ihm festgenommen worden.

Schwester Gao Ge aber sagt, dass sie und die Mutter nun warten, wohin Ai Weiwei entlassen wird. "Seine Frau Lu Qing wartet im Atelier, wir in unsererem Hofhaus. Aber gleich, wohin sie ihn bringen - sie lassen ihn raus." Sie lacht befreit und erleichtert am Telefon auf. (Johnny Erling aus Peking/derStandard.at)