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US-Präsident Barack Obama will  33.000 Soldaten aus Afghanistan abziehen

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US-Soldaten verfolgen am Donnerstag in Kandahar, Afghanistan, eine Wiederholung der Abzugsrede von Präsident Obama.

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Der Präsident bei der Truppe, in patriotischer Pose vor einer Phalanx gescheckter Uniformen. Solche Bilder sind Pflicht in Amerika - auch in der Ära Barack Obamas.

Der flog denn auch, kaum hatte er seine Abzugspläne skizziert, zum ausgiebigen Händeschütteln zu den "Boys in uniform" nach Fort Drum, dicht an der kanadischen Grenze, in die Kaserne der 10. Bergdivision. Kaum eine Einheit ist öfter nach Afghanistan beordert worden, seit in Manhattan die Zwillingstürme einstürzten. Der Abstecher soll den "Commander in Chief" ins rechte Licht rücken, einen Politiker, der seine seelisch ausgebrannten Soldaten nur zu gut versteht.

Wohin die Reise geht, hat Obama bereits am Mittwochabend erläutert, im feierlichen East Room des Weißen Hauses. Historische Kronleuchter, ein roter Teppich, es war die gleiche Kulisse, vor der er im Mai seinen größten Coup verkündete: den Erfolg der Kommandoaktion gegen Osama Bin Laden. Al-Kaida habe es zuletzt nicht mehr vermocht, getötete Terroristen effektiv zu ersetzen, erklärt der Präsident. Obwohl das Netzwerk gefährlich bleibe, hätten die USA es empfindlich geschwächt, sagte er und nennt damit den Hauptgrund, warum das Militäraufgebot reduziert werden kann. Die Mission am Hindukusch diene dem Ziel, Al-Kaida einen sicheren Hafen zu verwehren. Dem sei man nähergekommen.

Abzug von 33.000 Soldaten

"Wir werden nicht versuchen, aus Afghanistan ein perfektes Land zu machen. Wir werden in seinen Straßen nicht endlos Polizei spielen, in seinen Bergen nicht endlos patrouillieren." Es sind klare Argumente für einen Truppenabzug, der nur in einem Punkt überrascht: Es geht noch schneller als erwartet.

10.000 US-Soldaten werden bis Dezember heimkehren. Bis Sommer 2012, sechs Monate früher, als Insider vorab vermutet hatten, sollen weitere 23.000 folgen. Damit läge die Truppenstärke wieder bei 67.000 Mann, dort, wo sie vor anderthalb Jahren lag, vor einer Aufstockung, mit der Washington die erstarkenden Taliban zurückdrängen wollte. Kein Zweifel: Der Fahrplan richtet sich nach dem amerikanischen Wahlkalender. Im November 2012 möchte Obama im Amt bestätigt werden, mit einer Politik, die ein Ende des unpopulären Feldzugs absehen lässt. "Heute Abend", stellt er rhetorisch die Weichen, "finden wir Trost in der Gewissheit, dass die Flut des Krieges verebbt."

Man habe binnen einer Dekade eine Billion Dollar für Kriege ausgegeben, im Irak ebenso wie in Afghanistan, bei steigender Staatsverschuldung und in harten wirtschaftlichen Zeiten. "Amerika, es ist an der Zeit, dass wir uns auf den Aufbau zu Hause konzentrieren."

Damit trägt er der Stimmung Rechnung, der Kriegsmüdigkeit einer Nation, die zudem in der schweren Rezession nach der Finanzkrise ihren Optimismus verlor. Folgt man einer Umfrage des Pew Research Center, verlangen 56 Prozent der Amerikaner einen schnellstmöglichen Abzug. Noch vor zwei Jahren hatte eine klare Mehrheit dafür plädiert, in Kabul und Kandahar auszuharren, bis die Lage sich stabilisiert.

Im Kongress sind es vor allem die Demokraten, die zur Eile drängen. "Die Realität vor Ort hätte einen viel größeren Rückzug gerechtfertigt", grummelt Carl Levin, der den Streitkräfte-Ausschuss des Senats leitet. John McCain dagegen versteht sich als Stimme der Generäle, wenn er Obama ankreidet, aus wahltaktischen Erwägungen zu gefährden, was mühsam an Geländegewinnen erzielt worden sei. Allerdings sehen es längst nicht alle Republikaner wie McCain, am wenigsten jene Kandidaten, die demnächst ins Duell ums Weiße Haus ziehen. Nach neun Jahren und vielstelligen Milliardenausgaben, sagt Jon Huntsman, Hoffnungsträger der Konservativen, müsse man sich schon fragen: "Was haben wir eigentlich erreicht?"

Vorausgegangen war eine intensive Debatte hinter verschlossenen Türen, in ihrer Gründlichkeit typisch für Obama. Dass der Präsident zwischen zwei Denkschulen moderierte, war dabei niemandem verborgen geblieben. Die eine Fraktion, vertreten durch Verteidigungsminister Robert Gates und David Petraeus, den Kommandeur der Schutztruppe Isaf, warnte davor, überhastete Entscheidungen zu treffen, die man später bereuen könnte. Die andere Schule hält eine massive Militärpräsenz für einen Fehler und setzt stattdessen auf gezielte Kommandoaktionen und verdeckte Operationen. (DER STANDARD, Printausgabe, 24.6.2011)