Wien - Während in China das Zeitalter der bemannten Raumfahrt erst vor kurzem begonnen hat und entsprechende Programme immer weiter ausgebaut werden sollen, erleben die USA mit der Stilllegung der Space Shuttles einen noch nie dagewesenen Einschnitt. Harald Posch, Leiter der Agentur für Luft- und Raumfahrt der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG, stimmt dies jedoch keineswegs bedenklich. Für die Forschung auf der Internationalen Raumstation ISS seien keine Versorgungsengpässe oder anderen Einschnitte zu erwarten, sagte der Experte.

Der Stopp des US-Shuttle-Programms stelle vermutlich eher ein "mentales Problem" für die Amerikaner und eine Nation dar, die lange die bemannte Raumfahrt dominiert hat. Diesen Eindruck vermittelten Posch zumindest US-Kollegen.

Der Fortschritt von einst

Das 1981 gestartete US-Shuttle-Programm hatte zum Ziel, nicht länger "Wegwerfraketen" als Transportmittel in den Weltraum einzusetzen, sondern wieder verwendbare Systeme. Um eine Einschätzung des Konzepts wurde damals auch Klaus Heiss gebeten. Der junge Professor an der Princeton University, der in Wien Ökonomie studiert hatte, galt als Experte für Weltraumtransportsysteme. Als "ein starker Befürworter der wieder verwendbaren Systeme" hat der im Juli 2010 verstorbene Heiss, der auch im Weißen Hause hohes Ansehen genoss, aber immer auf Flüssigtreibstoff "und nicht auf die nun verwendeten Feststoffraketen gesetzt", so Posch. Doch seine Konzepte fanden nicht genug Unterstützung.

Bis zur schweren "Challenger"-Katastrophe im Jahr 1986 transportierten die Shuttles vor allem Satelliten. Nach einem mehr als zweijährigen Aussetzen von Shuttle-Flügen wurden die Orbiter vor allem als Forschungs-Raumfähren verwendet. "Das war die Zeit des Spacelab - ein Modul, ähnlich einer Regentonne, das in die Ladebucht des Shuttles eingebracht und etwa für Mikrogravitationsforschung genutzt wurde", so Posch. Ab Mitte der 1990er Jahre dienten die Shuttles vor allem für den Transport von Astronauten, Experimenten und Instrumenten, etwa zur russischen Raumstation "Mir" und zur späteren ISS.

"Bringt nichts"

"Wissenschaftlich bringt die bemannte Raumfahrt nichts", sagt Wolfgang Baumjohann. Bemannte Raumschiffe, die auf dem Mond, Mars oder Asteroiden landen, mögen zwar viele Menschen faszinieren, der Leiter des Instituts für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Graz hat dazu aber eine zwiespältige Beziehung. Durch wissenschaftlichen Mehrwert sei die bemannte Raufmahrt nicht zu rechtfertigen, dennoch stecke der Wunsch in jedem Menschen, "dahin zu wollen, wo er hinkommen kann".

Seit 1972 hat kein Astronaut mehr seinen Fuß auf den Mond oder einen Asteroiden gesetzt. Aus Sicht von Wolfgang Baumjohann war das auch kein Schaden. Es sei damals "weniger um wissenschaftliche Erkenntnis als um den Wunsch gegangen, den Menschen auf den Mond zu bringen". Das Streben nach neuen Grenzen sei ein integraler Bestandteil der Menschheit. "Der Mensch will immer mehr entdecken, immer weiter hinaus und in neue Welten. Das ist eine kulturelle und politische Geschichte", so Baumjohann.

Roboter billiger und effizienter

Den konkreten wissenschaftlichen Nutzen solcher "Expeditionen" mit direkter menschlicher Beteiligung hält Baumjohann für gering. "Wissenschaftlich bringt die bemannte Raumfahrt nichts. Das geht heute mit Robotern wesentlich effizienter. Man kann mit weniger Geld mehr machen, Menschen an Bord machen die Missionen um vieles teurer", so der Grazer Institutsleiter. Er illustriert dies durch eine einfache Rechnung: "Eine bemannte Mars-Mission kostet nach Schätzungen 400 bis 500 Milliarden, im Vergleich dazu ein Mars-Exploration-Rover an die zweieinhalb Milliarden. Mit der selben Summe können sie also rund 200 Roboter den Mars untersuchen lassen. Ich denke, es liegt auf der Hand, wo der größere wissenschaftliche Wert liegt", so der Chef des Weltraum-Instituts.

Eine mögliche Rückkehr von Astronauten zum Mond, wie es sich Thomas Reiter, der für Raumfahrt zuständige Direktor der Europäischen Weltraumorganisation ESA, bereits im nächsten Jahrzehnt vorstellen kann, sieht Baumjohann vor allem als Vorstufe für weiter von der Erde weg liegende Missionsziele. "Wenn man den Mount Everest nicht erreichen kann, dann versucht man es halt mit dem Kilimandscharo", so Baumjohann. Was eine künftige bemannte Mars-Mission anbelangt, rechnet er damit, dass sie vor allem wegen der knappen finanziellen Mittel wohl nur in Kooperation aller großen Weltraumnationen zustande kommen werde.

Dass sich Österreich - abgesehen vom Weltraumausflug von Franz Viehböck im Jahr 1991 im Rahmen der Austromir-Mission - aus der bemannten Raumfahrt herausgehalten hat, beurteilt Baumjohann als "sinnvoll". "Wir machen nicht bei allen Sachen mit und haben mit der Strategie der Konzentration Erfolg", so der Instituts-Leiter. (APA/red)