Nina Degele ist Soziologin und Geschlechterforscherin an der Universität Freiburg im Breisgau.

Foto: DER STANDARD/Universität Freiburg

Standard: Warum muss Frauenfußball in Deutschland immer noch so um Anerkennung ringen?

Nina Degele: Fußball wird sehr stark mit Männlichkeit identifiziert. Zudem war Frauenfußball bis 1970 verboten. Das Verbot wurde nicht zufällig ein Jahr nach dem 'Wunder von Bern' erlassen. 1954 wurden die Männer Weltmeister und waren wieder wer. Aus dem Krieg kamen sie ja wie geprügelte Hunde zurück, während die Frauen den Wiederaufbau organisierten.

Standard: Welche Rolle spielt der körperliche Aspekt?

Degele: Schweiß und Anstrengung passen aus der Sicht vieler nicht zu Frauen. Männer sind attraktiv, weil sie sportlich sind. Frauen müssen beweisen, dass sie attraktiv sind, obwohl sie sportlich sind.

Standard: Das tun die deutschen Fußball-Frauen gerade im Playboy.

Degele: Diese Playboy-Fotos sind kontraproduktiv. Nationalspielerin Birgit Prinz sagte einmal: 'Wir vermarkten nicht unseren Hintern, sondern unser Spiel.' Und jetzt geht es doch wieder um Sex, und Vorurteile werden bedient. Aber die deutschen Frauen sind eben enorm unter Druck. Sie müssen quasi erneut Weltmeister werden, um anerkannt zu werden.

Standard: Welches Signal erhoffen Sie von der Frauen-WM generell?

Degele: Angesichts der Schwierigkeiten ist diese WM in Deutschland natürlich ein Meilenstein. Ich denke schon, dass etwas hängenbleibt. Junge Mädchen, die gerade den Sport entdecken, werden leichter sagen können: 'Ich mache Fußball.' Das wird durch diese WM viel selbstverständlicher.

(Die Fragen stellte Birgit Baumann, DER STANDARD, Printausgabe 25./26.6.2011)