Österreich und alle anderen Euro-Staaten haben ein einfaches Finanzierungssystem. Die EZB leiht den Banken Geld, diese wiederum verleihen es an die Einzelstaaten weiter. Damit erhalten die Banken für eine Transaktion, die kaum mehr als einen Mausklick benötigt, eine gigantische Subvention - Geld, das im Staatshaushalt derzeit bitter abgeht. Nach einer Schätzung des Autors beträgt diese Summe für Österreich mehr als 4,5 Mrd. Euro.

Dass die Banken und die Finanzwirtschaft nicht gerade zu den am wenigsten vernetzten Institutionen innerhalb der Politik gehören, ist bekannt. Wenn alleine Raiffeisen beinahe Klubstatus im österreichischen Parlament hat, Christian Konrad zukünftige MinisterInnen anruft, und das Bankenpaket vor allem für damalige Verhältnisse ein Geschenk der Bundesregierung an die Banken war, so ist manchmal zweifelhaft, ob die Politik eigentlich noch die Macht im Staate hat.

Doch abseits dieser rezenten Aufregung gibt es eine viel größere Ungerechtigkeit, die jetzt vor allem im Zuge der knappen Mittel in der Zeit nach der Krise wieder zur Sprache kommt: Im Zuge der Euro-Einführung wurde nämlich ein System installiert, dass der Finanzwirtschaft jährlich Milliarden an unverdienten Einnahmen beschert.

Die neue europäische Zentralbank sollte - so dachte man vor 1999 - nicht die Aufgabe haben, ihre Mitgliedsstaaten zu finanzieren und deren Staatsanleihen kaufen. Ganz besonders wurde dies von den Hartwährungsländern, allen voran den Deutschen, gefordert, um die italienischen "Schuldenmacher und Währungsabwerter" unter Kontrolle zu behalten. Deswegen steht im Statut der Europäischen Zentralbank (Art. 21.1) wie auch in den EU-Verträgen (Art. 123), dass es der EZB verboten ist, Staatsanleihen den Mitgliedsstaaten direkt bei der Ausgabe dieser Anleihen abzukaufen.

Das System läuft daher ersatzweise folgendermaßen: Wenn die Mitgliedsstaaten Geld benötigen, um ihre Defizite im Staatshaushalt zu finanzieren, können sie nicht direkt zu jenem staatlichen Organ gehen, das für das "Geld drucken" zuständig ist, nämlich ihrer eigenen Zentralbank. Stattdessen finden sie sich in der Situation wieder, ihre Anleihen an private Banken verkaufen zu müssen, um an Geld zu kommen. Woher aber haben eigentlich die Banken dieses Geld? Im Endeffekt bekommen diese es auch nur von der Zentralbank, indem sie sich das Geld zum aktuellen Zinssatz vom Eurosystem (EZB plus nationale Zentralbanken) leihen. Mit einem Aufschlag verleihen die Privatbanken dann das Geld an die Staaten weiter.

Und dieser Aufschlag kostet den Staat Geld. Sehr viel Geld.

Der aktuelle Zinssatz der EZB ist 1,25%. Die durchschnittliche österreichische Staatschuld hingegen wurde 2010 mit 4,05% verzinst. Der Nettoaufwand für die Verzinsung der Schuld (inkl. sonstiger Aufwand) betrug 2009 laut Staatsschuldenausschuss (Tabelle 29 auf S. 75) 6,718 Mrd. Euro, und die gesamte (bereinigte) Finanzschuld 168,715 Mrd. Euro. Wäre die Zwischenfinanzierung durch die Privatbanken nicht erfolgt und hätten die Staaten gleich ihre Anleihen zu 1,25% Zinssatz an die Europäische bzw. Österreichische Zentralbank verkauft, hätte man sich daher 4,609 Mrd. Euro von den 6,718 Mrd. sparen können! Der Zinsaufwand, der dann noch zu bezahlen wäre, käme über die Gewinne der Notenbanken ohnehin wieder in das staatliche Budget zurück.

Gegeben das Budgetdefizit 2009 von 9,607 Mrd. Euro (vor der Revision im März 2011), hätte man sich entweder fast die Hälfte dieses Defizits erspart. Oder man hätte die 4,609 Mrd. Euro anderweitig sinnvoll investieren können, z.B. in die Universitäten, Kindergärten, usw. Für 2010 ist die errechnete Summe ähnlich hoch (4,728 Mrd. €).

Angesichts dieser Summen, die in anderen Euroländern ähnliche relative Dimensionen erreichen, ist es höchste Zeit, diese enorme europäische Subvention der Banken abzustellen. Die EZB und die nationalen Zentralbanken müssen endlich auch in Europa wieder die Funktion erfüllen, für die Zentralbanken ursprünglich gegründet wurden: die günstige Staatsfinanzierung. Die Diskussion darüber ist zuletzt neu entflammt. Während der Autor auf diesem Blog vor kurzem schon einmal darauf hingewiesen hatte, gab es zuletzt eine exzellente Analyse auf den Nachdenkseiten mit Berechnungen für Deutschland. Bei Anne Will (Sendung vom 26. Juni zu Griechenland) hat dann auch Gregor Gysi diese Subvention zu einem Hauptthema seiner Argumentation gemacht. Zeit, dass auch die österreichische Politik sich dem Thema annimmt, auch wenn es ein europäisches ist! (Leser-Kommentar, Oliver Picek, derStandard.at, 27.6.2011)