Ankara - Der kurdische Rebellenführer Abdullah Öcalan hat der türkischen Regierung aus dem Gefängnis heraus ein Friedensangebot unterbreitet. Wie der amtierende Chef der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Murat Karayilan, in einem von der türkischen Tageszeitung "Milliyet" am Montag veröffentlichten Interview sagte, schlug der inhaftierte Rebellenchef bei Treffen mit türkischen Verantwortlichen auf der Gefängnisinsel Imrali im vergangenen Monat unter anderem Verfassungsreformen vor. Demnach sollten die Kurden regionale Autonomie erhalten, außerdem solle es Schulunterricht in kurdischer Sprache geben.

Entwaffnung nach Entschuldigung

Ferner habe sich Öcalan für ein vollständiges Ende der Gewalt und für Entwaffnung auf der Grundlage einer beiderseitigen Entschuldigung ausgesprochen. Er fordere auch die Aufhebung seiner Isolationshaft - nur seine Anwälte und Familienmitglieder dürfen ihn besuchen -, wie Karayilan in seinem Hauptquartier in den Kandilbergen im Nordirak weiter ausführte. Die türkische Delegation habe gesagt, dass sie die Forderungen an den Staat und die Regierung weitergebe. "Wir warten auf eine Antwort".

36 kurdische Abgeordnete

Die von der türkischen Regierungspartei AKP mit klarer Mehrheit gewonnene Parlamentswahl vom 12. Juni, bei der auch 36 kurdische Abgeordnete gewählt wurden, bezeichnete Karayilan als Chance für eine Normalisierung. Zugleich kritisierte er die Inhaftierung von sechs kurdischen Parlamentariern wegen Terror-Vorwürfen als "schweren Schlag" für Erwartungen bei den Kurden.

Die türkische Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte zuletzt einen Kurs der vorsichtigen Öffnung gegenüber den etwa 20 Millionen in der Türkei lebenden Kurden verfolgt. Sie lockerte Verbote der kurdischen Sprache auch über den privaten Raum hinaus, ließ kurdischsprachige Zeitungen und Fernsehprogramme zu. Eine regionale Autonomie für den Osten und Südosten der Türkei, Hauptsiedlungsgebiet der Kurden, lehnt Ankara nach wie vor ab.

Karayilan ist seit der Festnahme von PKK-Gründer Öcalan der De-facto-Anführer der von Ankara und dem Westen als Terrorgruppe eingestuften Rebellen. Im Konflikt zwischen dem türkischen Staat und kurdischen Aufständischen sind seit Beginn des PKK-Aufstands 1984 nach Armeeangaben mehr als 45.000 Menschen ums Leben gekommen. Ankara lehnte bisher das Gespräch mit den Rebellen ab und verlangt deren bedingungslose Aufgabe. (APA)