Laurids Ortner wünscht sich von der neuen Geschäftsführung des Museumsquartiers inhaltliche Neuorientierung und mehr Kooperationen zwischen den Institutionen.

Foto: Standard/Heribert Corn

Andrea Schurian sprach mit Laurids Ortner über den Kulturkomplex.

Wien - 1981 wurde von der damaligen Wissenschaftsministerin Herta Firnberg eine Arbeitsgruppe für die Neustrukturierung der Bundesmuseen eingesetzt. Deren Empfehlung: den Messepalast in eine Museumsinsel zu verwandeln. Doch es dauerte. Zuerst galt es ja noch zu klären, ob nicht vielleicht doch ein Shoppingcenter ins Areal der Hofstallungen einziehen sollte.Oder gar einHotel? 1986 wurde die erste Wettbewerbsstufe ausgeschrieben, aus 88 Projekten kamen für die Jury sieben in die engere Wahl.

1990 gewannen Laurids und Manfred Ortner den Bewerb. Doch es dauerte wieder: Erst elf Jahre, etliche Adaptionen und heftige politische Kontroversen später wurde einer der größten Kulturkomplexe weltweit eröffnet. Aber ohne Leseturm, der mit 66 Metern das Wahrzeichen des MQ werden sollte. Gefeiert wird der zehnte Geburtstag u. a. am Donnerstag mit einer Riesen-Open-Air-Party.

STANDARD: Tut es Ihnen um den Leseturm noch leid?

Ortner: Natürlich fehlt er als architektonisches Signet, als Stachel im Fleisch, den das Stadtbild schon vertragen hätte. Ich bin erstaunt, dass er bis jetzt nicht von außen, von der Politik oder den Medien, reklamiert wird. Man könnte sagen: Nach zehn Jahren sei man klüger geworden, weil man sieht, was in anderen Metropolen möglich ist. Und weil man erkennt, wie wichtig das Kulturprofil für Städte ist.

STANDARD: Unumstritten war das MQ nie. Wie oft mussten Sie in den elf Jahren eigentlich umplanen?

Ortner: Das wird immer ein bisschen infam hingestellt. Es gab weniger Umplanungen als für ein so großes Projekt üblich sind. Aber es stimmt, wir mussten die Gebäude um 25 Prozent reduzieren, auch wegen der Kronen Zeitung, die vom "Museumsmonster" schrieb. Diejenigen, die das MQ von Anfang an vehement verteidigten, fühlten sich dann verraten vom Wegfall des Leseturms, von der Reduktion der Gebäude. Einigen war die neue Architektur zu wenig offensiv. Doch das MQ war eines der ersten Projekte, wo die Vermischung zwischen Alt und Neu konkrete Formen bekam. Das war eine Herausforderung im innerstädtischen Bereich und betrifft alle europäischen Metropolen. Und von der Figuration her ist das MQ von der ersten Minute an so gewesen, wie es jetzt dasteht. Man kann ruhig stolz darauf sein, dass das architektonische Konzept gehalten hat.

STANDARD: Jeder neue Mumok-Direktor baut erst einmal um. Edelbert Köb hat das gemacht, Karola Kraus tut es wieder. Ein Zeichen von Planungsmängeln?

Ortner: Wenn jemand ein Haus übernimmt, wird er ein paar Korrekturen anbringen wollen. Das erachte ich als selbstverständlich. Vor zehn Jahren war es gang und gäbe, gläserne Museen zu machen, busweise die Landbevölkerung herbeizukarren. Dem Mumok hat man vorgeworfen, ein monolithischer Block zu sein. Ja! Wir sind bewusst den umgekehrten Weg gegangen, das halte ich für richtig und wichtig. So, wie wir es damals geplant haben, fängt man heute, zehn Jahre später, an, sich der Kunst zu nähern: ein wenig vorsichtiger, konzentrierter, demütiger vielleicht sogar. Man stellt Orte der Konzentration her, die unabhängig von Quoten das leisten, was von Museen verlangt wird: ein Ort der intensiven Auseinandersetzung mit Kunst zu sein. Ich glaube, das ist uns besser geglückt als diesen gläsernen Kisten. Die Rätselhaftigkeit, die ein Kunstbau wie dieser auch braucht, ist im Mumok vorhanden.

STANDARD: Sind Sie in die Jubiläumsfeierlichkeiten miteinbezogen?

Ortner: Ja, es gibt kleinere Einladungen. Ich habe Dietmar Steiner vorgeschlagen, eine Präsentation all dessen zu machen, was an baulichen Ergänzungen vorgesehen war: etwa ein gläserner Pavillon auf dem Leopold-Museum. Die ursprüngliche Idee war, dass das MQ eine Art Work in Progress ist und verschiedenste Dinge dazukommen, wie Anlagerungen.

STANDARD: Passiert das?

Ortner: Nein. Bisher nicht. Wolfgang Waldner war als MQ-Geschäftsführer eher ein Majordomus, der dafür sorgte, dass das Areal in Ordnung gehalten wird, Schanigärten hineinkommen und die Besucher gut verköstigt werden. Das ist ja auch alles geglückt. Aber was von allem Anfang an verabsäumt wurde, ist ein übergeordnetes Programm.

STANDARD: Täuscht der Eindruck, oder sind Sie nicht vorbehaltlos zufrieden, wie sich das Museumsquartier entwickelt hat?

Ortner: Da gibt es schon einige Vorbehalte. Es war ja als ein großes kulturelles Zentrum konzipiert. Doch es hat sich zu einem großen populären und populistischen Zentrum entwickelt, wo Kultur nachrangig ist. Da müsste man wieder nachjustieren und zurückreklamieren, was ursprünglich gedacht war. Da hängt viel davon ab, was der neue Direktor oder Leiter des MQ können soll.

STANDARD: Und was sollte der Ihrer Ansicht nach denn können?

Ortner: Sicher ist erfreulich, dass das Areal fast Wiens gute Stube geworden ist. Doch jetzt wäre notwendig, dass man die Kultur wieder zurückholt. Das MQ ist ja nicht als heterogener Haufen diverser Kulturinstitutionen angetreten. Sie alle sollten wie ein Ensemble gemeinsam denken, agieren, gemeinsam geführt werden. Das Wichtigste ist, dass die neue Leitung ein Programm entwickelt, das die vorhandenen Institutionen zu einem großen Ganzen macht und nicht jeder für sich sein Süppchen kocht.

STANDARD: Aber es sind doch sehr unterschiedliche Institutionen - Leopold-Museum, Mumok, Tanzquartier, Ovalhalle, Architekturzentrum etc. - mit sehr unterschiedlichen Interessen. Glauben Sie wirklich, dass man die inhaltlich unter einen Hut bringen kann, ohne beliebig zu werden?

Ortner: Natürlich besteht diese Gefahr. Aber wir alle werden mit Einladungen überschwemmt. Gegen diese Inflation muss man strategisch vorgehen und wieder größere Zusammenhänge herstellen - auch international. Das könnte wie bei Biennalen sein, dass es ein großes Leitthema gibt.

STANDARD: Das MQ schneidet im Vergleich zu ähnlichen Kulturbezirken wie der Berliner Museumsinsel immer überraschend gut ab. Woran, glauben Sie, liegt das?

Ortner: Die Berliner Museumsinsel und David Chipperfields Neues Museum sind wie eine Erfolgswelle um die Welt gegangen, während wir uns mit dem MQ zuerst einmal gegenseitig die Köpfe eingeschlagen haben. Es ist das mit Abstand am besten ins städtische Geflecht integrierte Areal. Eines der großen Vorurteile war ja, dass sich das Neue gegen das Alte durchsetzen muss. Aber das ist völlig anachronistisch. Es gibt ein intelligentes Miteinander.

STANDARD: Vielleicht also doch kein gemeinsames Thema? Gerade die Vielfältigkeit wird in allen Studien als Besonderheit des MQ betont.

Ortner: Das eine schließt das andere nicht aus. Der Pluralismus bleibt ja. Trotzdem müsste man größere Aufhänger schaffen, um dem Ganzen den Pep zu geben, den es verdient. (Andrea Schurian, DER STANDARD - Printausgabe, 28. Juni 2011)