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Rekonstrierte Pfahlbauten in Unteruhldingen am Bodensee.

Foto: AP/Winfried Rothermel

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Ein Unterwasserarchäologe untersucht am Orkopf im Bodensee Reste einer Pfahlbausiedlung. Wasser konserviert unter bestimmten Bedingungen organische Materialien wie Holz, Textilien, Pflanzen- und Speisereste oder Knochen besonders gut.

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Gaienhofen - Nur einen Tag nachdem die UNESCO die Pfahlbauten zum Weltkulturerbe erklärt hat, weisen Experten auch schon darauf hin, dass dieses Erbe in Gefahr ist: Eine ständige Zunahme von Schiffsverkehr und Uferbebauung bedrohe die prähistorischen Bauten in den Voralpenseen, wie das deutsche Landesamt für Denkmalpflege am Mittwoch bei einer Tagung in Gaienhofen am Bodensee mitteilte. Die Erhaltungschancen einiger Fundstätten hätten sich in den vergangenen Jahrzehnten erheblich verschlechtert.

Auch der Rückgang des Röhrichts sowie sinkende Wasserstände beschleunigten die Abspülung. Zunehmend würden Sand- und Seekreidesedimente aus der Uferzone der Seen hinaus getragen, so dass viele Pfahlbausiedlungen ihre schützende Deckschicht verlören und allmählich zerstört würden. "In den vergangenen Monaten konnte die Basis für weitere Schutz- und Monitoringverfahren gelegt werden, um die prähistorischen Pfahlbauten zu überwachen", sagte die Koordinatorin Marion Heumüller. "Wichtig ist, dass grenzüberschreitend und interdisziplinär gearbeitet werden konnte."

Die 111 Pfahlbauten sind einzigartige Dokumente des Siedlungswesens in der Alpenregion im Verlauf von Jungsteinzeit, Bronzezeit und Eisenzeit. Sie reichen von 5.000 Jahre bis 500 vor unsere Zeitrechung zurück. Damals zogen sich Menschen aus Schutz vor Raubtieren oder Feinden in Siedlungen zurück, die sie auf in den Boden gerammten Holzpfählen an See- und Flussufern sowie in Feuchtgebieten errichteten.

Früheste Textilien und älteste Räder Europas

Die Fundstellen befinden sich heute meist zur Gänze unter Wasser oder im Moor. Das feuchte Milieu lieferte außergewöhnliche Erhaltungsbedingungen für organische Materialien wie Holz, Textilien, Pflanzen- und Speisereste oder Knochen - ein Archiv der menschlichen Geschichte aus der Zeit vor schriftlichen Quellen. Zu den bedeutenden Funden aus den Seeufersiedlungen gehören die ältesten Textilien sowie die ältesten Radfunde Europas aus der Zeit um 3.000vor unserer Zeitrechung.  Daneben vermitteln etwa Einbäume oder Wagen wichtige Erkenntnisse zu Handel und Mobilität, andere Funde gewähren Einblicke in Alltagsleben, Landwirtschaft und Viehzucht.

Dank naturwissenschaftlicher Untersuchungsmethoden wie der Dendrochronologie (bei der Holzuntersuchungen zur Zeitbestimmung eingesetzt werden) können Baustrukturen ganzer Siedlungen genau datiert und der Werdegang der Dörfer und ihrer Umgebung nachgezeichnet werden. Die Pfahlbauten stellen daher die besten archäologischen Quellen für prähistorische Siedlungen dar.

Fünf Fundstellen in Österreich

Die Einreichung zum Weltkulturerbe wurde von Deutschland, Italien, Frankreich, der Schweiz, Slowenien und Österreich gemeinsam betrieben und umfasst insgesamt 111 Fundstellen. Die meisten davon, nämlich 56, befinden sich in der Schweiz. Fünf Fundstellen befinden sich in Österreich: die Pfahlbausiedlung inmitten des Keutschacher Sees in Kärnten, drei Fundstellen im Attersee in den Gemeinden Attersee und Seewalchen (Abtsdorf I und III, Litzlberg Süd) sowie eine im Mondsee. Die österreichischen Pfahlbau-Siedlungen stellten durch ihre zentrale Lage vermutlich eine Drehscheibe in den alpinen Handelsnetzen dar, wie etwa Kupfer-Funde belegen.

Insgesamt sind beinahe 1.000 archäologische Pfahlbaustationen in und um die Alpen bekannt. Besonders viele Fundstellen sind im Bodenseeraum zu verzeichnen. In Unteruhldingen am Bodensee gibt es ein eigenes Pfahlbaumuseum mit 23 rekonstruierten Pfahlbauten. Das 1922 gegründete älteste Freilichtmuseum Deutschlands verzeichnet jährlich knapp 300.000 Besucher.

Nur zwei bis fünf Prozent der Pfahlbausiedlungen sind bisher wissenschaftlich untersucht. Vom Welterbetitel, dessen Beantragung seit 2005 unter Federführung der Schweiz vorbereitet worden war, erhoffen sich Wissenschafter Unterstützung bei ihren Forschungen und ihren Bemühungen, die Fundstätten vor Zerstörung zu bewahren. (red/APA)