Josef Barth bloggt ab sofort jeden Dienstag auf derStandard.at.

Foto: Christian Müller

"Information ist die Währung der Demokratie"
(Thomas Jefferson, Amerikaner
- oder von jemand anderem
)

"Dürfen'S denn das?"
(Kaiser Ferdinand, Österreicher)

Als Journalist kennt man das Spiel: Anfruf bei der Behörde, um Sprecherlaubnis für den Beamten bitten (!) – um dann oft, wenn überhaupt gewährt, erst recht auf eine Mischung aus Schweigsamkeit und Übervorsicht zu treffen.

Im Büro nebenan knallte einst eine ehemalige Kollegin wutentbrannt den Hörer auf und rief entnervt: "Amtsgeheimnis! Datenschutz! Verschwiegenheitspflicht! – Ich halt' die alle nicht mehr aus!"

Völlig zu Recht.

Österreichs Behörden verweigern immer noch Informationen, die der Öffentlichkeit eigentlich zugänglich sein sollten, weil sie uns eben alle angehen. Und sie verschanzen sich dabei gern hinter dem sogenannten Amtsgeheimnis.

Für Journalisten, die recherchieren, sind dies Hindernisse der Berufsausübung, für Bürger, die Auskunft suchen, sind diese Gespräche oft die finale Sackgasse bei der Suche nach Information.

Der Journalist umschifft diese Hindernisse mit sprachlichem Kunstgriff, erwähnt sie in Nebensätzen oder gilt fast schon als investigativ, wenn er die offiziell verweigerte Information auf inoffiziellem Wege dann doch bekommt. Der Bürger bleibt zurück – oft sprachlos, jedenfalls aber immer ohne die Möglichkeit dem Schweigen die nötige Öffentlichkeit zu verleihen.

Fehlendes Bekenntnis des Staates zu Transparenz

Dabei ist die Unsicherheit der Verwaltungsbediensteten verständlich. Einerseits kennen sie die Blicke ihrer politisch verantwortlichen Chefs, die ungern unabgenickte Infos über ihr Ressort in der Zeitung lesen. Beliebtheitswettbewerbe gewinnt man damit keine. Andererseits fehlt das klare staatliche Bekenntnis zu einer offenen Verwaltung, auf dessen niedergeschriebenen Regeln man sich als Beamter für die Richtigkeit des eigenen Handelns berufen könnte.

Die Pauschalisierung bitte ich mir nachzusehen. Es gibt viele engagierte Beamte, durchaus offene Behörden – aber en gros ist Österreichs Verwaltung wahrlich nicht die transparenteste.

Geheimsache Kontrolle – ein aktueller Fall

Ein aktueller Fall: Die Stadt Wien hat einen sogenannten Spielapparate-Beirat. Dieser kontrolliert im Auftrag der Stadt, ob die Automaten des sogenannten kleinen Glücksspiels korrekt aufgestellt und betrieben werden. Ob vielleicht der Abstand zu Schulen nicht korrekt eingehalten wird, oder ob man mehr auf einmal verspielen kann als gesetzlich erlaubt.

Wer in diesem Gremium sitzt? Das geht den Bürger nichts an. Es ist geheim.

So zumindest behauptete es die Stadtzeitung "Falter" schon Anfang Mai in einem kurzen Nebensatz. Angeblich würde dies nicht einmal dem Kontrollamt der Stadt mitgeteilt. Und das obwohl laut einer Studie der Verdacht bestünde, dass der Beirat "seine Aufgabe über Jahre nicht entsprechend den Vorschriften wahrgenommen hat, intransparente Beschlüsse fasst und von Personen dominiert ist, für die die Vermutung naheliegt, dass Kollisionen zu eigenen wirtschaftlichen Interessen vorliegen könnten."

Ein kurzer Gegencheck: Anruf im Büro der zuständigen Stadträtin Ulli Sima. Ob man wissen dürfe, wer in diesem Gremium sitzt. Antwort der Pressesprecherin: "Nein, das ist Datenschutz."

Nun mag es dafür ja gute Gründe geben. Welche? Das bleibt unklar. Weitere Erklärung gibt es keine. Das Gespräch dauert keine Minute ...

Interessant ist nur: Die komplette Besetzung findet sich auf einer Website des Magistrats selbst. Unterliegt sie nun dem Datenschutz? Hier endet das Interesse der Pressesprecherin um Einhaltung desselben: "Dazu kann ich nichts sagen, ich kenne die Seite nicht." Wo sich dieses vermeintliche Leck irrtümlicher Veröffentlichung findet, fragt sie gar nicht.

Das lässt drei Schlüsse zu: Erstens, die Liste unterliegt wirklich dem Datenschutz. Dann verwundert doch, dass es die Verwaltung nicht interessiert, wo gerade personenbezogene Daten irrtümlich veröffentlicht wurden, um den Umstand zu beheben. Zweitens, die Liste ist zu Recht öffentlich. Dann verwundert, dass die Pressesprecherin der zuständigen Stadträtin eine falsche Auskunft erteilt. Oder drittens, sie ist sich nicht sicher, ob sie dem Datenschutz unterliegt. Dann verwundert, dass sie dem Bürger gegenüber die klare Auskunft gibt, dass dies der Fall sei – ohne um Zeit zum Gegencheck zu ersuchen oder einen Rückruf der zuständigen Stelle zu beauftragen. An Vorbereitungszeit kann es nach der "Falter"-Story von Anfang Mai jedenfalls nicht gemangelt haben ...

Der Schutzwall zur Vermeidung von Diskussion

Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Verwaltung muss so unweigerlich Schaden nehmen.

Dass die Stichworte Datenschutz, Verschwiegenheitspflicht und Amtsgeheimnis nützliche Barrieren sind, um dahinter zu verschanzen und sich dem öffenlichen Diskurs zu entziehen ebenso nicht neu, wie ein offensichtlich strukturell gewollt.

Schon vor fünf Jahren wurde beim Österreich Konvent bereits kritisiert, dass Österreich damals das einzige Land der EU war, in dem das Amtsgeheimnis noch in der Verfassung steht. Und laut Verfassung ist quasi alles öffentlich, was nicht dem Amtsgeheimnis unterliegt – und alles Amtsgeheimnis, was nicht öffentlich ist ...
Geändert hat sich daran praktisch immer noch nichts.

Noch vor vier Jahren erklärte das Parlament selbst die Brotberufe von Österreichs Nationalratsabgeordneten de facto zur Geheimsache – wenn auch auf ganz österreichische Art. Die Liste der Politiker und ihrer Hauptjobs wurde zwar nicht online veröffentlicht, sie war aber auch nicht geheim. Die österreichische Lösung: Die Liste lag beim Portier des Parlaments auf. Dort durfte sie jeder Interessierte gern einsehen – und abschreiben. Nicht fotokopieren, nicht fotografieren, sondern eben nur abschreiben.

Mittlerweile wurde derartiges wieder geändert. Für Transparenz bei Nebentätigkeiten braucht es aber weiterhin private Initiativen wie jene von MeineAbgeordneten.at. Bei Podiumsdiskussionen im Parlament wurden Fragesteller zuletzt gebeten, sich mit Funktion oder Hintergrund vorzustellen. Staatsbürger allein zu sein, reicht offensichtlich nicht mehr aus, um sich für staatliches Tun zu interessieren.

Für einen Freedom of Information-Act

Natürlich gibt es Fälle, die Schweigen rechtfertigen, das ist auch gut so. Personenbezogene Daten, nationale Sicherheit und andere schutzwürdige Interessen – keine Frage. Das generelle Verwaltungswissen zählt jedoch sicher nicht dazu.

Ein "Freedom of Information-Act" mit dem zentralen Recht des Bürgers auf Einsicht in die Unterlagen der Verwaltung, täte auch Österreich gut. Ein solches – durchsetzbares – Informations(freiheits-)Recht wurde mittlerweile von vielen Staaten der Welt eingeführt. Es ist das Grundbekenntnis einer modernen Demokratie.
Denn die gesellschaftliche Entwicklung ließ längst Rollen tauschen und kehrte die Beweislast um: Nicht der Bürger muss der Behörde erklären, wozu er die Info braucht, die Behörde muss dem Bürger erklären, warum sie der Meinung ist, er dürfe sie nicht haben.

Amtsgeheimnis.at soll das Schweigen thematisieren

Das Transparenz-Projekt Amtsgeheimnis.at will das Schweigen thematisieren – und das Vorschieben von Verschwiegenheitspflicht. Eine Seite, auf der jeder posten kann, was er vom Staat wissen wollte, welche Behörde er fragte, welches Büro ihm die Auskunft verweigerte – und wie dessen Begründung lautete.

Als Beitrag zu staatlicher Transparenz, durch Kontrolle des Bürgers. Um das Handeln der Verwaltung nachvollziehbar zu machen und damit vielleicht einen Teil jenes Rechtsstaatsvertrauen wieder herzustellen, das durch viele Affären in ihrem Umfeld verloren ging.

Amtsgeheimnis.at soll all jenen einen Stimme geben, die durch amtliches Schweigen sprachlos zurückbleiben. derStandard.at leiht uns seine Öffentlichkeit, um damit noch ein wenig lauter sein zu können – und ja vielleicht schlussendlich Gehör zu finden.

"Dürf' ma denn das?" – ... ist die einzige Frage, die wir sicher nicht stellen werden.

Wir tun's einfach. Jeden Dienstag, hier.

Denn "Information ist die Währung der Demokratie".

Mal sehen, wieviel jene Österreichs wert ist.