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Unter dem Motto "Show your face!" trafen sich die TeilnehmerInnen der heurigen Homosexuellen Parade in Wien. E. Hutfless und E. Schäfer kommentieren "Hin- und Rückweg, und den gemeinsamen Weg der Parade selbst".
Die Regenbogenparade in Wien soll politischer werden, lauteten die Forderungen der letzten Jahre (siehe Ansichtssache zum diesjährigen Dykemarch). Die Gegner_innen der Politisierung berufen sich auf die Freude, den Spaß - wir sollen doch alle weniger verbissen sein, die Community ließe sich nicht unter radikalen Forderungen vereinen. Ein politisches Zeichen zu setzen, das sich hauptsächlich über "Sichtbarkeit" definiert, soll doch auch bunt, ausgelassen und schrill von statten gehen. Nichts dagegen einzuwenden, aber ...
Homophobie im Alltag
Szenenwechsel: Auf dem Weg zur Wiener Regenbogen-Parade 2011 in einem Taxi. Der Taxifahrer, sichtlich verärgert eine Reihe von Parade-Fahrzeugen zu sehen, zeigt empört auf einen Polizisten, der auf einem Motorrad die Parade-Lkws begleitet und eine Regenbogenfahne über der Schulter trägt: "Haben Sie das schon mal gesehen?!" Es folgt eine üble Beschimpfung des Polizisten: "Die schwule Polizisten-Sau!" Nachdem die Fahrgästin darauf aufmerksam macht, dass sie auch auf dem Weg zur Regenbogenparade ist und den Fahrer bittet derartige verbale Angriffe zu unterlassen, geht es gleich munter weiter: "Ihr seid's ja alle Perverse! Raus aus meinem Taxi", usw., usf.
Die Parade hat zwei Wege: Den Hin- und Rückweg und den gemeinsamen Weg in der Parade selbst. Wir fragen uns, wie die anderen Teilnehmer_innen wohl den Hin- und Rückweg bewältigen, ob es ähnliche Spießrutenläufe durch Strassen, öffentliche Verkehrsmittel und Taxis gibt - begleitet von Beschimpfungen und Bedrohungen verschiedenster Art - bis eine_r endlich das Gefühl des sicheren Angekommenseins hat.
Paradenoutfits machen angreifbar
Am Hin- und Rückweg exponiert sich die Paradeteilnehmer_in und irritiert das Wiener Stadtpublikum.
In einer schrillen Gemeinschaft, wie sie während der Parade unterwegs ist, mag dies noch exotisch und sensationell wirken, bisweilen gern angeschaut werden. Die einzelnen Personen auf ihren jeweiligen Hin- und Rückwegen stellen die Sensationslust vom Gehsteigrand jedoch hart auf die Probe. Die Präsenz und Präsentation mehr oder weniger schriller Paraden-Outfits - oder auch die schlichte Aussage zur Parade zu gehen - ruft andere Reaktionen hervor, sobald sie nicht eingebunden sind in den bunten Umzug auf der Wiener Ringstraße. Dort sind sie gut aufgehoben - allein unterwegs sind sie radikal ausgesetzt, bisweilen gefährdet.
"Show your face!"
Was hat es also mit dem Motto "Show your face!" der heurigen Parade auf sich: Verstecken wir uns nicht gerade dann, wenn neben der pluralen - und sehr wohl wichtigen, wie auch sehr schönen - eine singuläre Demonstration von Identität, Zugehörigkeit, Sympathie und Solidarität schwer möglich und in den schlimmsten Fällen gefährlich ist? Wird nicht gerade dann deutlich, dass das Schrille einer gemeinschaftlichen Demonstration eben gerade das nicht ist, was es zu sein glaubt: die politisch radikale Exposition, sondern stattdessen die Verkleidung einer Gemeinschaft - die sich also versteckt?
Was für eine Gemeinschaft ist die der Parade, die nur glaubt sich schrill zu exponieren und sich doch versteckt - wenn es gerade die schrillsten Kostüme von vielen sind, die diese Gemeinschaft schützt und zu einer annehmbaren gesellschaftlichen Sensation werden lässt?
Andererseits: Das Politische zeigt sich nicht allein dort, wo - wie in Budapest geschehen - die Parade mit Steinen beworfen und tätlich angegriffen wird, wo Teilnehmer_innen verhaftet werden, ...
Trotzdem: Eine politische Bewegung muss sich fragen, wie sich eine kritische Gemeinschaft auch in der Lust und Freude ihres Miteinanders widerständig präsentieren kann.