Bild nicht mehr verfügbar.

Die rechtsextreme NPD marschiert in Berlin immer wieder auf, der Widerstand der autonomen Szene gegen solche Veranstaltungen ist groß.

Foto: Reuters / Fabrizio Bensch

Der Innensenator zieht Vergleiche zu Auseinandersetzungen in der Weimarer Republik.

*****

Die Angreifer kamen von hinten, der Angegriffene hatte wenig Chancen. Uwe Meenen, Landeschef der rechtsextremen NPD, war vor einigen Tagen gerade auf dem Weg zu einer Veranstaltung seiner Partei, als er am S-Bahnhof Bornholmer Straße (Prenzlauer Berg) zu Boden gestoßen, getreten und geschlagen wurde.

Gesehen wurden fünf vermummte Personen, die vermutlich nicht zum ersten Mal zugeschlagen hatten. Zuvor waren bereits drei weitere NPD-Funktionäre angepöbelt und körperlich attackiert worden. Einer wurde dabei vom Fahrrad gerissen und verprügelt. Die Berliner Polizei geht davon aus, dass es sich um gezielte Aktionen handelte, und vermutet die Täter im linksextremen Milieu der deutschen Hauptstadt.

Offenbar erfolgte auf diese Angriffe nun die Retourkutsche der rechtsextremen Szene. In der Nacht auf Montag brannte es gleich fünfmal in Berlin, jedes Mal waren Projekte der linken Szene betroffen. Verletzt wurde niemand; es entstand hoher Sachschaden. Das "Anton-Schmaus-Haus" im Stadtteil Britz brannte völlig aus. Darin befand sich eine Kinder- und Jugendeinrichtung der Sozialistischen Jugend. Im "Tuntenhaus" , einem alternativen Wohnprojekt für Homosexuelle, wurde eine Tür in Brand gesetzt, in Kreuzberg standen die Autos zweier Bewohner eines "Wohnkollektivs" in Flammen.

"Gute Anschlagsziele"

Weitere Ziele waren ein Treff und ein Laden von linken Gruppen. Alle fünf Einrichtungen waren bereits im Oktober 2010 auf einer rechten Internetseite als "gute Anschlagsziele" genannt worden.

Vor einer Eskalation der Gewalt warnt Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD): "Ich befürchte vor allem, dass bei Extremisten auf jede Aktion eine Gegenaktion folgt." Denn das "primitive Volk der Autonomen und der Neonazis" denke in Kategorien der Rache. Körting meinte auch, es würden in Berlin offenbar einige "mit dem Feuer aus den Zwanzigerjahren spielen" . Damit spielt er auf die Weimarer Republik (1918/ 1919 bis 1933) an, in der sich das politische Klima immer mehr radikalisiert hatte. Es gab Straßenschlachten zwischen paramilitärischen Verbänden der Kommunisten und den erstarkenden Nationalsozialisten, bei denen auch Menschen starben.

Der Bundesvorsitzende der NPD, Udo Voigt, wertete die Angriffe auf NPD-Funktionäre als "Mord" und rief zur "Bildung von Schutzmannschaften" auf. Die NPD will für die Berliner Landtagswahl am 18. September auch Wahlbeobachter der OSZE anfordern. Innensenator Körtig versprach, dass die Polizei im Wahlkampf "mehr Präsenz" zeigen werde - auch vor Ständen der NPD. Bei der Landtagswahl 2006 war die NPD in vier Bezirksparlamente eingezogen, in den Landtag kam sie jedoch nicht.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele verurteilte Angriffe von beiden Seiten und warnte ebenfalls: "Zeiten wie Ende der Zwanzigerjahre wollen wir nicht wieder haben." Ströbele, der zum linken Flügel der Grünen gehört und in Berlin sehr bekannt ist, war zwei Tage vor der Bundestagswahl 2002 von einem Neonazi mit einem Schlagstock niedergestreckt worden. Dieser erklärte seine Tat später mit "Hass auf die Grünen".

Auch Linken-Fraktionschef Udo Wolf kritisiert die Übergriffe auf NPD-Leute: "Wer sich antifaschistisch engagiert, hat nicht das Recht auf Gewalt gegen Personen, welcher Organisation oder Partei sie auch immer angehören." (Birgit Baumann aus Berlin /DER STANDARD, Printausgabe, 29.6.2011)