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Nur eine Frage der Zeit: ICC-Chefankläger Luis Moreno Ocampo rechnet fest damit, dass Muammar al-Gaddafi in Den Haag vor Gericht gestellt werden wird.

Foto: APA/EPA/Czerwinski

Die Vertrauten des libyschen Machthabers stehen nach Ansicht von Chefankläger Moreno Ocampo vor der Wahl: ihn festnehmen oder selbst verfolgt werden. Die Rebellen wollen indes mit dem ICC kooperieren.

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Luis Moreno Ocampo ist ein Mann der starken Worte. 24 Stunden, nachdem der Internationale Strafgerichtshof (ICC) Haftbefehl gegen den libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi und zwei seiner engsten Vertrauten wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit erlassen hat, stellt sich der Chefankläger der Öffentlichkeit. "Heute ist die Zeit für die Festnahme" , sagt er. Und: "Der Gerechtigkeit in Libyen wird Genüge getan werden." Da habe er keinen Zweifel.

Tatsächlich besteht für den ICC die größte Schwierigkeit darin, Gaddafi, seinen Sohn Saif al-Islam und seinen Schwager, Geheimdienstchef Abdullah al-Senussi, festzunehmen. Dafür ist das Weltgericht auf die Staaten angewiesen, die dieser Verpflichtung nicht immer nachgekommen sind, wie schon der Fall des sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir gezeigt hat (siehe unten).

Libyen gehört zwar nicht zu den ICC-Mitgliedern, doch Moreno Ocampo erinnert an die UN-Resolution, mit der der Sicherheitsrat den Fall an den ICC überwiesen hat. Und zwar einstimmig. Darin werden die libyschen Behörden zur Zusammenarbeit mit dem Gericht verpflichtet. Die Resolution ist bindend.

Vertreter des Gaddafi-Regimes haben den Haftbefehl zwar als "inakzeptabel" verurteilt. Für Moreno Ocampo ergibt sich aber eine Entscheidung, die Gaddafis Vertraute jetzt treffen müssen: "Sie können Teil des Problems sein und strafrechtlich verfolgt werden - oder Teil der Lösung und die Verbrechen stoppen." Mit anderen Worten: Gaddafi ausliefern.

Der Nationale Übergangsrat der Aufständischen in Bengasi hat dem Gericht bereits die Zusammenarbeit zugesagt - für Moreno Ocampo die Alternative, um Gaddafi bald festzunehmen. "Der Rat ist bereit, die Haftbefehle auch umzusetzen."

Rebellen in Den Haag

Schon am Montag war Justizminister Mohammed al-Alagi nach Den Haag gereist. Heute, Mittwoch, wird Premier Mustafa Abdul Jalil zu Gesprächen am Gericht erwartet. Die Hoffnung, dass die Rebellen den Haftbefehl ausführen könnten, speist sich auch aus ihren jüngsten militärischen Erfolgen: Sie haben sich Tripolis deutlich genähert.

Im Gegensatz zu den libyschen Behörden, so viel stellt Moreno Ocampo klar, hätte die Nato in Libyen kein Mandat, Haftbefehle umzusetzen - "und das Gericht hat nicht darum gebeten" .

In den vergangenen Tagen hatte die Nato ihre Luftangriffe fortgesetzt, zudem will Deutschland, das sich bisher nicht beteiligt hat, dem Militärbündnis nun aber Waffentechnik liefern, wie Spiegel Online berichtete.

Unterdessen gehen die Ermittlungen weiter. Sein Büro konzentriere sich vor allem auf die Vorwürfe von Massenvergewaltigungen und auf Versuche, die Verbrechen zu vertuschen, stellt der UN-Jurist dar. Dass noch einige andere Personen angeklagt würden, sei durchaus möglich.

Letztendlich sei es eine Frage der Zeit, bis Gaddafi in Den Haag auf der Anklagebank sitze, sagt Moreno Ocampo dann noch. "Bei Ratko Mladić hat es 15 Jahre gedauert. Auch Gaddafi wird der Gerechtigkeit zugeführt werden. Der Haftbefehl verschwindet nicht." (Julia Raabe aus Den Haag/DER STANDARD, Printausgabe, 29.6.2011)