Analysten führen das auf mehrere Faktoren zurück, von der europäischen Klimapolitik bis hin zu Konjunkturängsten.

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Brüssel/Wien - Der Emissionshandel sollte einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels leisten. Doch in den vergangenen drei Wochen ist der Marktpreis für die Verschmutzungsrechte massiv abgerutscht. Die Emissionsrechte (EUA) für eine Tonne Kohlendioxid notiert so tief wie zuletzt vor zwei Jahren. Ende Mai war eine EUA noch 18 Euro wert, inzwischen ist der Marktpreis um knapp 30 Prozent gefallen. Erst am Montag haben CO2-Zertifikate einen Boden gefunden.

Doch was steckt hinter dem massiven Fall der CO2-Preise? "Die Verkaufslawine der letzten Wochen ist von einer Reihe von Faktoren losgetreten worden", sagt Heiko Siemann, Vizepräsident der Abteilung Carbon Solutions bei der UniCredit in München. Er nennt etwa den Verkauf von Emissionsrechten durch Industriekonzerne zum Ende des zweiten Quartals, die Befürchtungen um die globale Konjunktur oder technische Indikatoren, die den Abverkauf begünstigt haben. Doch ein wesentlicher Verkaufsgrund kam aus Brüssel selbst.

Zum einen hat Polen, das ab Juli die EU-Ratspräsidentschaft inne hat, eine europäische Einigung blockiert, sich auf europäischer Ebene auf eine 25-prozentige Reduktion des CO2-Ausstoßes bis 2020 zu verständigen (statt bislang 20 Prozent). An der Blockadehaltung will Polen nichts ändern. Premierminister Donald Tusk hat am Montag noch einmal die Position seines Landes verteidigt. Er werde verhindern, dass Polen schärfere CO2-Ziele erfüllen muss, denn "die polnische Wirtschaft kann sich das einfach nicht leisten".

Zudem plant die Europäische Union bis zum Jahresende 2012 weitere 300 Millionen CO2-Zertifikate zu emittieren, um den Ausbau erneuerbarer Energien zu fördern. Auch Speicherkapazitäten für CO2 sollen mit dem Geld gebaut werden. Dazu kommt dass die Europäische Kommission ein Papier zur Energieeffizienz vorgestellt hat. Diese Politiken sind nicht unbedingt positiv für den Preis von CO2, schätzen Experten. "Überlappende Klimapolitiken haben den Emissionshandel seiner Fähigkeit beraubt, ein Investmentsignal für erneuerbare Energien zu sein", schreibt etwa Isabel Save, Analystin bei ICIS Heren.

Ein wesentlicher Treiber war aber auch die gestiegene Angst vor einem Konjunkturrückgang. Wenn die Wirtschaft weniger wächst, wird auch weniger CO2 ausgestoßen. Die Schwankungen von anderen Rohstoffen wie etwa Öl hätten sich auch auf CO2 übertragen. In den vergangenen zwei Tagen haben sich die Preise von CO2-Zertifikaten aber wieder leicht erholt, was den Analysten Hoffnung gibt. Siemann rechnet jedenfalls damit, dass der Markt wieder zurückkommt. "Der Preissturz war übertrieben", meint der UniCredit-Experte. (Lukas Sustala, DER STANDARD, Printausgabe, 29.6.2011)