Ungarn hat nach Ansicht vieler Kritiker die Chance verpasst, über die EU-Ratspräsidentschaft internationales Gewicht zu zeigen. Ausgerechnet in dieser Periode leitete die rechtsnationale Fidesz-Regierung die wichtigsten Schritte zur Machtzementierung ein.

Als Erstes setzte die Partei von Premier Viktor Orbán ein Mediengesetz durch, das die freie Presse im Land im Bedarfsfall mundtot machen, zumindest aber stark behindern kann. Die EU-Kommission kritisierte daran nur unwesentliche Punkte, die dann auch geändert wurden. Das Gesetz bleibt aber ein mögliches Instrument der Zensur. Danach beschloss die Zweidrittelmehrheit der Fidesz im Parlament eine neue Verfassung, die Mittel enthält, um jeder künftigen Regierung die Hände zu binden.

Zugleich äußerte sich Orbán teils aggressiv gegenüber Brüssel. Seine Partei "glaubt nicht an die EU", sagte er. "Diktate" aus Brüssel seien ebenso unwillkommen wie frühere Direktiven aus Moskau oder aus dem habsburgischen Wien. Demgegenüber schmeichelte Orbán am vergangenen Samstag Chinas Regierungschef. Ungarn brauche "eine andere Art von Bündnissen und eine andere Art von Verbündeten", sagte er zu Wen Jiabao, der mit einem Füllhorn voller Kredite und Investitionsprojekte nach Budapest gekommen war.

Dennoch hatte Ungarns EU-Präsidentschaft auch Erfolge, wie selbst strenge Kritiker wie Péter Balázs, Außenminister der letzten sozialistischen Regierung, meinen. Zum Positiven gehört der bevorstehende Abschluss der EU-Beitrittsverhandlungen Kroatiens. Darin sieht Balázs auch ein Verdienst erfahrener ungarischer Balkandiplomaten. Auf Expertenebene habe Ungarn generell eine gute Figur gemacht.

Mit gemischten Gefühlen wurde das geplante Glanzstück, die Romastrategie, aufgenommen: Im EU-Parlament wurde das Dokument gefeiert, Roma-Verbände sehen darin aber nur ein wirkungsloses Stück Papier, weil es keine Sanktionen vorsieht. Vollends ins Wasser fiel der als Prestigetermin geplante Ostpartnerschaftsgipfel mit US-Außenministerin Hillary Clinton. Offizieller Grund waren Terminschwierigkeiten. Dafür kommt Clinton an diesem Donnerstag zu einem halboffiziellen Besuch nach Budapest. (Kathrin Lauer aus Budapest/DER STANDARD, Printausgabe, 29.6.2011)