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Die Amerikanistik-Professorin Mary Mitchell findet es "wenig transparent", dass in Österreich für die meisten Studien keine Zulassungsbeschränkungen vorgesehen sind.

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"Ich persönlich mag die Wettbewerbssituation. Sie treibt mich zu besseren Leistungen an", sagt die Amerikanerin Natalie Lagrou.

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"Es mangelte hier oft an didaktischen Materialien oder Büchern. Ich habe also gelernt kreativ zu sein", so Mary Mitchell.

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"Ich fühlte mich in Vorarlberg als ob ich in den USA am falschen Ort geboren worden wäre", sagt die Lehramtsstudentin Nancy Davis.

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"D is for diploma", nennt Natalie Lagrou das Verhalten einiger Studierender in Österreich. Sie meint damit, dass Studenten in Österreich eine Prüfung bestehen wollen und es ihnen, im Vergleich zu Amerikanern, egal sei, ob sie bei jener ein "Sehr Gut" (im amerikanischen System ein A) oder ein "Genügend" (ein D) als Note erhalten. "Hauptsache durchkommen", lautet die Devise bei Prüfungen. Für sie kam das nicht in Frage. Wenn die Banking-And-Finance-Studentin in den USA etwas anderes als ein "Sehr Gut" oder "Gut" bekam, hat sie den misslungenen Kurs eben wiederholt. "Der Notenschnitt ist in Amerika äußerst wichtig. Mein bester Freund ist Oberstufen-Lehrer in Alabama. Wenn es in seiner Klasse einen miesen Notenschnitt gibt, dann bekommt er als Lehrer ein entsprechend negatives Feedback vom Direktor". Für die 26-Jährige ist es außerdem sehr viel schwieriger in Österreich eine "Eins" zu bekommen als in den Staaten.

Noten oder Wissen?

Dass Noten nicht immer der zuverlässigste Indikator sind um zu messen, was jemand kann oder gelernt hat, unterstreicht auch Mary Mitchell. Die Amerikanistikerin verbrachte dieses Semester als Gastprofessorin an der Universität Innsbruck und findet es sei schön, dass es im österreichischen Bildungssystem nicht so sehr um Punkte oder den Notenschnitt gehe. Andererseits findet sie es wenig transparent, dass für die meisten Studien keine Zulassungsbeschränkungen vorgesehen sind: "Ich denke es wäre gerechter, wenn man vor der Zulassung zu einem Studium das Grundwissen der Maturanten mithilfe eines zentralisierten Tests überprüfen würde." Mitchell empfand als größten Unterschied, dass sie Seminare mit 30 StudentInnen abhielt, während die Obergrenze an ihrer Heimatuniversität in New Orleans bei maximal fünfzehn StudentInnen liegt. "Außerdem ist es hier schwieriger gewesen Diskussionen in Gang zu bringen", fügt sie noch hinzu.

Österreichische Maturanten reifer

Einen großen Unterschied sieht Mitchell darüber hinaus in der geistigen Reife der Maturanten. Sie beschreibt es als mühsam, dass sie amerikanische Studienanfänger erst auf Universitätsniveau heranführen muss. "Die Studenten in Amerika sollten vielleicht eine Auszeit nach der High School einlegen. Oft habe ich das Gefühl, dass man ihnen alles vorkauen muss. Die österreichischen Studenten sind im Vergleich dazu eigenständiger und reifer". Und was nimmt sie für ihre Arbeit in die USA aus Österreich mit? "Es mangelte hier oft an didaktischen Materialien oder Büchern. Ich habe also gelernt kreativ zu sein. Für meinen Unterricht musste ich vieles aus dem Internet zusammenkopieren oder selber erstellen."

Bildung ist ein Produkt

Nancy Davis wird dagegen nicht mehr in die USA zurückkehren. Die Lehramtsstudentin arbeitete als Sprachassistentin in Feldkirch und will dauerhaft als Lehrerin in Österreich arbeiten. "Ich fühlte mich in Vorarlberg als ob ich in den USA am falschen Ort geboren worden wäre.", schwärmt sie über ihre neue Wahlheimat. Davis empfindet das österreichische Universitätssystem als gerechter. Ihr gefällt, dass man als Student hierzulande mehr Selbstinitiative zeigen muss und ohne Schulden ins Berufsleben einsteigen kann. Außerdem stört es sie, dass Bildung in Amerika wie ein Produkt behandelt wird: "Ich habe Teile der Infrastruktur an meiner Universität in Illinois gar nicht gebraucht. Es gab zum Beispiel ein top ausgestattetes Fitness-Center, in welchem ich aber nie trainierte."

"Ich mag Konkurrenz!"

Natalie Lagrou sieht das nicht ganz so. Sie hätte in den USA auch eine nahezu kostenlose Universität in ihrem Heimatstaat Alabama besuchen können, entschied sich aber für die teurere Alternative in New Orleans: "Ich glaube, dass das ein Unterschied in der Mentalität ist. Die Universität in New Orleans hat mich mehr angesprochen, ich dachte, dass sie besser für meine persönliche Bildung sei. Deshalb war ich auch bereit, mehr für sie auszugeben." Lagrou sieht einen weiteren Mentalitätsunterschied. Sie meint, dass es in den USA mehr Wettbewerb zwischen den Studenten gäbe. Diesem steht sie positiv gegenüber: "Ich persönlich mag die Wettbewerbssituation. Sie treibt mich zu besseren Leistungen an." Trotz des geringeren Wettbewerbs in Österreich hat sie kürzlich zum ersten Mal ein "Befriedigend" in einer Klausur bekommen. Und es anscheinend auch ganz gut verkraftet: "Nein, wiederholen werde ich die Klausur nicht. Außerdem ist eine 'Drei' hier auch mehr wert als eine 'Drei' zuhause."´(Willi Kozanek, 30. Juni 2011, daStandard.at)