Schnüffeln im Dienst der Wissenschaft: Jetzt wird untersucht wie der Verlust des Riechvermögens auf neuronaler Ebene wirkt

Foto: FWF/Veronika Schöpf

Unser Riechsinn fristet normalerweise ein recht unbeachtetes Dasein - außer etwas riecht besonders schlecht oder gut. Dass wir aber 20 Prozent unserer Umwelt mit dem Geruchssinn erfassen, nehmen wir als gegeben hin. Dabei ist dieser nicht nur ausgesprochen hoch entwickelt, sondern vermittelt auch wichtige soziale Funktionen. Das erfahren insbesondere Menschen, die keine Geruchswahrnehmung mehr haben.

Diese als Anosmie bezeichnete neuronale Erkrankung führt in der Folge oftmals zu schlechter Ernährung, Depressionen und Einsamkeit. Obwohl bis zu fünf Prozent der Bevölkerung an dem totalen Verlust der Geruchswahrnehmung leiden - und 15 Prozent unter einem teilweisen -, ist wenig über die Auswirkungen dieses Ausfalls auf höhere neuronale Prozesse bekannt. In einem jetzt gestarteten Projekt des Wissenschaftsfonds FWF werden diese nun an der Medizinischen Universität Wien erforscht. Dabei nutzt man ein erst seit Kurzem bekanntes Phänomen, schreiben die Wissenschafter in einer Aussendung: Einigen Patienten mit Anosmie gelingt es, durch spezielles Training Teile ihrer Geruchswahrnehmung wiederzuerlangen.

Olfaktorisches Fitnessprogramm

Zu dem speziellen Untersuchungsansatz meint die Projektleiterin Veronika Schöpf, von der Universitätsklinik für Radiodiagnostik: "In den letzten Jahren wurde bekannt, dass Betroffene durch spezielle Trainingsmethoden einen gewissen Umfang ihrer Geruchswahrnehmung wiedergewinnen können. Wie das Training wirkt, ist dabei genauso wenig bekannt wie die neuronale Verarbeitung chemosensorischer Information bei Betroffenen. Für uns bietet ein Wiedererlangen der Geruchswahrnehmung aber eine Möglichkeit zu erfahren, wie sich Anosmie auf neuronale Vorgänge auswirkt."

Eine Methode, die Schöpf dabei für ihre Arbeit benutzt, ist die fMRT (funktionelle Magnetresonanztomografie). Diese Art der Magnetresonanztomografie erlaubt die bildgebende Darstellung von physiologischen Aktivitäten im menschlichen Körper. Aufgrund ihres nicht invasiven Wirkprinzips bietet sich die fMRT für Untersuchungen in besonders sensiblen Bereichen wie dem Gehirn an.

Wirkung auf den olfaktorischen Kortex

In einem Teil des Projekts wird nun untersucht, ob sich das spezielle Riechtraining auch auf die Aktivität einzelner Gehirnregionen wie den olfaktorischen Kortex auswirkt. Ein Vergleich der Aktivitäten vor und nach einem solchen Training soll dazu Auskunft liefern und zusätzlich klären, ob andere Gehirnstrukturen zur Kompensation des Geruchsverlustes aktiviert werden.

Ein weiterer Kompensationsmechanismus könnte im Trigeminus - dem wichtigsten Nerv für die olfaktorische Wahrnehmung - erfolgen. Zur Klärung dieser Hypothese wird das Team um Schöpf chemosensorische Stimuli entlang des Nervs von Gesunden und Betroffenen mittels fMRT vergleichen. Gleichzeitig werden dabei auch der Verbrauch an Energie und die relativen Konzentrationen von Neurotransmittern gemessen.

Schnüffeln für die Wissenschaft

Aber auch ein ganz besonderer Vorgang des Riechens wird näher untersucht: das Schnüffeln, auch als "Sniffing" bezeichnet. Den Vorgang erklärt die Forscherin so: "Wir wissen heute, dass Sniffing mehr ist als nur eine intensive Form des Ansaugens von Luft in die Nasenhöhle. Tatsächlich bewirkt das Schnüffeln eine gesteigerte neuronale Aktivität im olfaktorischen Kortex. Das passiert selbst dann, wenn gar kein Geruchsstoff eingesogen wird. Uns interessiert nun, ob diese Art der neuronalen Aktivierung auch in den Gehirnen von Menschen mit Anosmie möglich ist."

Die Ergebnisse dieses interdisziplinären Projekts von Medizinern, Physikern und Geruchsforschern werden eine wichtige Grundlage zum Verständnis der Anosmie bieten - und können gleichzeitig auch zur Entwicklung neuer Therapiemöglichkeiten beitragen. Darüber hinaus liefert dieses vom FWF unterstützte Projekt einen grundlegenden Einblick in die neuronalen Vorgänge eines unserer wichtigsten Sinne. (red, derStandard.at)