Ein Tumult der Farben mit gegenständlichen Hinweisen: eine Arbeit von Otto Muehl ohne Titel (Gouache auf Papier, 1981).

Foto: Galerie Weihergut

Salzburg - Otto Muehl gilt - neben Hermann Nitsch, Günter Brus und Rudolf Schwarzkogler - als maßgebliche Figur des Wiener Aktionismus. 1974 gründete er im Burgenland die Kommune Friedrichshof. Die Kommunarden, so des Gründers Gebot, sollten dem Privatbesitz sowie dem Ideal der Kleinfamilie entsagen und freie Liebe praktizieren.

Doch das Gesellschaftsexperiment geriet in Schieflage und entwickelte autoritative Züge. Wegen Kindesmissbrauchs sowie wegen Verstößen gegen das Suchtgiftgesetz landete Muehl 1991 für sieben Jahre hinter Gittern.

Hubert Klocker, Leiter der Sammlung Friedrichshof, hat nun gemeinsam mit Michael Karrer eine Auswahl aus Muehls Malereien getroffen, entstanden im Laufe von zwanzig Jahren am Friedrichshof. Auch rund vierzig Zeichnungen sind in einer Mappe aufgelegt.

Muehl beschäftigte sich in seinen Bildern mit der Rolle des menschlichen Körpers sowie mit dessen Befreiungspotenzial und sexueller Emanzipation. Zu sehen sind farbintensive Bilder, Exzess-Art-Objekte, bei denen Mühl die Öl- oder Acrylfarben direkt aus der Tube auf die Leinwand aufgetragen hat.

Auf den ersten Blick erschließt sich dem Betrachter eine etwas verwirrende Farbenvielfalt, ein Tumult der Buntheit, doch genaueres Hinsehen eröffnet Details: Umrisse von menschlichen Figuren und Gliedmaßen, Gesichter im Schatten, Andeutungen von Bewegungen, kopulierende Paare. Den figurativen Bildern stellt Muehl abstrakte Materialstudien gegenüber, bei denen er mit Sand, Schlamm oder Schrott experimentierte. Die Salzburger Ausstellung zeigt Lustmalereien eines Radikalen einerseits und Chroniken seines Kommunen-Lebens andererseits.

Im Friedrichshof entwickelte Muehl nicht nur sein Konzept von Gemeinschaftseigentum und Überwindung des Vater-Mutter-Prinzips, sondern wandte sich auch völlig vom herkömmlichen Kunstbetrieb ab. Das dürfte sich auf die Preisentwicklung langfristig positiv ausgewirkt haben: Das teuerste Bild der Schau kostet 71.000 Euro. Der an Parkinson erkrankte 86-jährige Künstler lebt seit 1998 in Südportugal, wohin er sich nach dem Verbüßen seiner Haftstrafe zurückzog.  (Christian Weingartner/ DER STANDARD, Printausgabe, 30.6.2011)