Die österreichische Erstaufführung von Cages "Musicircus", Höhepunkt des Eröffnungsfests, wird in Salzburg von rund 1000 Mitwirkenden bestritten. Mit dabei ist auch ein Rollkoffer-Ensemble.

Foto: Magdalena Lepka

"Die ganze Stadt ist Bühne." - Die Vision des Festspielgründers Hugo von Hofmannsthal wurde vielleicht noch nie so wörtlich genommen wie beim heurigen Eröffnungsfest der Salzburger Festspiele. Traditionelle Elemente wie das Straßentheater, das Turmblasen und der Fackeltanz bleiben zwar bestehen, und am Ende des ersten Tages wird auch das neu renovierte Glockenspiel wieder ertönen.

Am zweiten Tag geht man dann allerdings ganz neue Wege. Gleichzeitig zum Eröffnungsfest findet der Aktionstag "Vorhang auf" statt, sodass Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler "ein besonders dichtes Programm" versprechen konnte. Deutliche Zeichen der Öffnung setzen öffentliche Proben, der Furtwänglerpark als Begegnungsort, ebenso wie etliche Themeninseln. Und Intendant Markus Hinterhäuser realisiert mit der österreichischen Erstaufführung von John Cages Musicircus den Gedanken Hofmannsthals, die ganze Stadt zur Spielstätte umzufunktionieren, so konsequent wie nur möglich.

Cages im Jahr 1967 formulierte Komposition - oder sollte man besser von Idee sprechen? - besteht nur aus einer einzigen Zeile, nämlich der Bekanntgabe von Ort und Uhrzeit, zu denen sich eine große Zahl von Musikerinnen und Musikern einfinden sollen.

Wenn das Spiel beginnt, darf nach Belieben musiziert werden, wobei der Musikbegriff hier jene radikale Erweiterung erfährt, die er dem 20. Jahrhundert und insbesondere John Cage verdankt: In absoluter Gleichberechtigung darf komponierte Musik ebenso erklingen wie jede beliebe Art der Klangerzeugung, jedes Geräusch aus jeder beliebigen Quelle - auch aus den offenen Fenstern und Toren der Salzburger Altstadt.

Für Chor und Rollkoffer

Und dazu gehört nicht zuletzt das, was ohnehin gerade in der Umgebung erklingt. Auch die alltägliche akustische Umwelt wird Teil dieses Zirkus, in dem Absichtsloses denselben Wert wie Absichtsvolles erhält. Denn es ist die Wahrnehmung jedes Einzelnen, die in dieser Extremsituation den eigentlichen Ort des Geschehens bildet. Oder wie Cage selbst einmal sagte: "Musik ist überall, man braucht nur die Ohren, um sie wahrzunehmen."

In Salzburg werden am 24. 7. von 16.00 bis 16.45 vom Universitätsplatz bis zum Mozartplatz klassische Instrumente, Ensembles und Chöre ebenso zu hören sein wie Pop- und Volksmusik, Flugzeug, Helikopter, Pferdekutschen, Sirenen, Glocken, Jedermann-Rufer oder auch ein "Rollkoffer-Ensemble". Dazu können jederzeit spontan Beiträge geleistet oder auch angemeldet werden (Information: cornelia.anhaus@ torren.at oder 0664/546 55 28).

"Was passiert, wenn wir ein Kunstwerk betrachten, ein Theaterstück sehen oder einen Roman lesen?" Diese Frage steht im Zentrum des Buchs Das schöne Fräulein Unbekannt, das Standard-Kulturchefin Andrea Schurian und Schauspielchef Thomas Oberender ebenfalls im Rahmen des Eröffnungsfests präsentieren (Edmundsburg, 24. 7., 13.30). Nicht zuletzt mit Cage kann man sich diese Frage zur Rolle der Wahrnehmung von Kunst immer wieder neu stellen. (daen, DER STANADRD - Printausgabe, 30. Juni 2011)