Bild nicht mehr verfügbar.

Die Proteste zehntausender Demonstranten in Athen hielten auch nach dem Beschluss des Sparpakets an. Die Polizei ging mit Schlagstöcken und Tränengas gegen Randalierer vor.

Foto: Reuters/Yannis Behrakis

Bild nicht mehr verfügbar.

Gewerkschafter und Anarchisten legten sich auf dem Syntagma-Platz in Athen wieder mit der Polizei an. Am zweiten Tag des Generalstreiks zogen mehrere tausend Menschen vor das Parlament.

Foto: Reuters/Yannis Behrakis

Das griechische Parlament hat in einer mit Hochspannung erwarteten Entscheidung dem von Premier Georgis Papandreou vorgelegten Sparpaket mit klarer Mehrheit zugestimmt. Damit ist der Weg für neue Milliardenhilfen frei. Voraussetzung ist, dass es beim für Donnerstag anberaumten Votum über Ausführungsgesetze zu keiner Überraschung kommt. Die seit Tagen anhaltenden Proteste in Athen gingen auch nach dem Votum weiter.

***

Athen - Giorgos Papandreou geht an den Abgeordneten vorbei, die im Plenum des Parlaments stehen, klopft hier und da eine Schulter und findet einen freien Platz auf der Bank der Kommunisten. Dort wartet der griechische Premier, bis das Ergebnis ausgezählt ist. 155 Ja-Stimmen, sagt der Parlamentspräsident, 138 mal Nein, fünf Abgeordnete haben sich enthalten. Es ist kein Augenblick des Triumphs, nicht einmal ein Sieg.

Das Sparpaket geht durch, das zweite innerhalb von nur etwas mehr als einem Jahr. 30 Milliarden Euro waren es im Mai 2010, 78 Milliarden sind es jetzt. Weitere Steuererhöhungen, Ausgabenkürzungen, erstmals Privatisierungen, um die nächste Kreditrate sicherzustellen und wohl auch den nächsten großen Rettungsschirm für das bankrotte Land. Ein Ende ist nicht wirklich in Sicht.

Vor dem Parlament von Athen, auf dem Syntagma-Platz, wogt während der Abstimmung ein Kampf zwischen 5000 Polizisten und mehreren hundert Anarchisten, meist schwarz maskierten jungen Männern, die Steine werfen und Taucherbrillen tragen, um dem Tränengas zu trotzen. Am Vormittag, als sich die Debattenredner am Rednerpult abwechseln und nicht aufhören wollen, für und wider das Sparpaket zu argumentieren, fällt der Strom zwischen Thessaloniki und Athen immer wieder aus. Es fahren keine Züge, die Fluglotsen streiken, die Fährschiffe bleiben im Hafen. Es ist ein Land, das sich wehrt und boxt, während die Mehrheit von Papandreou im Parlament hält. Ein Befreiungsschlag sieht anders aus.

"Wir werden von unseren Partnern unter Quarantäne gestellt, weil Griechenlands Krankheit ansteckend ist für die Finanzwelt", drohte Evangelos Venizelos, der Finanzminister, den Abgeordneten für den Fall eines Nein und eines Staatsbankrotts, der dann angeblich unweigerlich folgen würde. Ein Sozialist der regierenden Pasok bleibt dennoch bei seiner Ablehnung, eine Abgeordnete der oppositionellen Nea Dimokratia bricht dagegen die Fraktionslinie. Zwei, drei Parlamentarier applaudieren kurz, als Elsa Papadimitrou aufgerufen wird und mit Ja antwortet.

"Es ist ein gutes Zeichen", kommentiert Panagiotis Petrakis, Dekan der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der Universität von Athen, nach der Abstimmung vom Mittwoch. "Wir haben jetzt eine technische Lösung mit der Bankenbeteiligung, die Frankreich und Deutschland ausarbeiten, und ein politisches System in Griechenland, das mehr oder minder hinter dem Sparkurs steht. Das gibt uns Zeit, das Problem der Finanzkrise zu lösen", sagte Petrakis dem Standard.

Die Befriedung der Pasok-Fraktion im Parlament und die fortgesetzten Streiks und Proteste haben dabei ihren Preis. Finanzminister Venizelos versprach den Abgeordneten, die angekündigten Steuererhöhungen noch einmal zu überprüfen, sobald das Sparpaket im Parlament angenommen ist. Andere Pasok-Politiker äußerten die Erwartung, dass die Privatisierungen weniger übereilt vonstatten gehen. Der Ökonom Petrakis glaubt deshalb nicht an den schnellen Verkauf von Staatsanteilen und an Einschnitte in den öffentlichen Sektor, wie von EU, EZB und IWF gefordert. "Langfristig werden wir aber eine Mentalitätsänderung im Land sehen, eine Angleichung an das Business-Modell im Rest der EU."

In Brüssel begrüßten Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Ratspräsident Herman Van Rompuy die Entscheidung des griechischen Parlaments. "Ein zweites positives Votum wird den Weg bereiten für die Auszahlung der nächsten Tranche aus dem Hilfsprogramm", hieß es in einer Erklärung der EU-Spitze. Am Donnerstag werden die Abgeordneten noch einmal Ja oder Nein sagen - zu den Durchführungsgesetzen zum Sparpaket. (Markus Bernath aus Athen, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.6.2011)