Die in meiner letzten Kolumne beschriebene Tatsache, dass Automatenspielsucht in Österreich zum häufigsten Kriminalitätsmotiv geworden ist, wird von vielen Menschen als alarmierend empfunden, aber noch nicht von allen in ihrer ganzen Bedeutung verstanden. Zum Beispiel von Frau Eva Glawischnig aus Wien. Sie meint in einem "Falter"-Interview: "Ich verstehe nicht, wieso Spielautomaten verboten sein sollen, aber Zigarettenautomaten nicht."

Liebe Frau Glawischnig, der Grund für diese vermeintliche Ungerechtigkeit mag vielleicht darin liegen, dass die Beschaffungskriminalität bei Nikotinsüchtigen bisher unter der statistischen Wahrnehmungsgrenze liegt. Notorische Raucher, die ihr Laster durch Überfälle und Einbrüche finanzieren, treten eher selten in Erscheinung, und - anders als bei den Spielsüchtigen - es wird auch nicht jeder fünfte aufgrund seiner Abhängigkeit kriminell.

Es geht auch nicht darum, Glücksspiel generell zu verbieten. Dass 91 Prozent der kriminell gewordenen Spielsüchtigen an Automatenspielsucht leiden, lässt eine gezielte Maßnahme als naheliegend und sinnvoll erscheinen, deren positive Auswirkung auf die Sicherheit in Österreich jene eines Zigarettenautomatenverbots noch übertreffen könnte.

Diese Erkenntnis wird von der Mehrheit der heimischen Bevölkerung geteilt. Jüngste Umfragen belegen eine ebenso deutliche Ablehnung des Verbots von Zigarettenautomaten wie eine klare Befürwortung eines Verbots der Glücksspielautomaten. Erstaunlicherweise lassen aber im Fall der Spielmaschinen die selbsternannten Vertreter der Mehrheitsmeinung jegliches Engagement vermissen. Wenn es darum geht, Inserate und Subventionen der Glückskonzerne für die Zukunft zu sichern, kann es auch einmal passieren, dass vorgeblich volksnahe Politiker und Boulevardmedien die Stimme des Volkes glatt ignorieren. Ja selbst bei sich investigativ gebenden Magazinen soll es vorkommen, dass kritische Artikel zu diesem Thema der chefredaktionellen Zensur zum Opfer fallen.

Für die Grünen resultiert daraus eine einmalige Chance, quasi ein aufgelegter Elfer. Als einzige Parlamentspartei, die nicht im Sumpf der Skandale Eurofighter, Bawag und Hypo Alpe Adria steckt, besitzen sie Glaubwürdigkeit im Bereich Korruptionsbekämpfung. Diese wäre anstelle der von allen anderen längst übernommenen Anti-Atom-Haltung ein Alleinstellungsmerkmal und könnte zum Thema Automatenglücksspiel Basis einer mehrheitsfähigen Initiative sein. - Doch genau hier beginnen sie mit verlässlich vorhersagbarer Sicherheit zu zögern: mehrheitsfähig? Ist das nicht irgendwie ... äh ... ungrün?

Und so setzt man lieber auf das Tschickautomatenverbot oder auf Zwang statt Freiwilligkeit bei der Väterkarenz - lauter Themen, mit denen die Gefahr eines Popularitätsschubs für die Grünen nachhaltig gebannt ist.

Glawischnig und ihr Team stehen heftig diskutierend vor dem am Elfmeterpunkt liegenden Ball. Die Konsequenzen eines von ihnen erfolgreich verwandelten Strafstoßes sind in der Mannschaft umstritten. Was zum Beispiel, wenn die auf den Torjubel folgenden Fangesänge nicht geschlechtsneutral formuliert sind? (Florian Scheuba, STANDARD-Printausgabe, 30.6.2011)