Fuat Sanac, neuer Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft, mit der nunmehrigen Frauenreferentin Carla Amina Baghajati: "Wir dürfen es Radikalen und Extremisten nicht einfach machen."

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Wien - In Liesing, dort, wo sich schon seit Kilometern eine graue Fabrikshalle an die andere reiht, steht in der Industriewüste plötzlich ein hellgrüner Bau. "Anas Schakfeh", steht da in riesigen Lettern drauf, und: "Gemeinnützige Privatstiftung".

Anas Schakfeh ist nach seiner zwölfjährigen Amtszeit als muslimisches Oberhaupt zwar Geschichte. Aber hier, an der islamischen Ausbildungsakademie für angehende Pädagogen an Pflichtschulen, hat nun der neue Präsident der Glaubensgemeinschaft seinen ersten Auftritt: Fuat Sanac, 57, gebürtiger Türke, selbst ausgebildeter Religionslehrer und Vertreter der national-konservativen Islamischen Förderation, setzt an diesem Donnerstag jedoch nicht nur die Hitze zu.

Sein Vizepräsident Uysal Nebi ist erst gar nicht erschienen - nachdem der Falter den Mann als Autor jenes Schulbuchs geoutet hat, das einst mit dem Bild eines sterbenden Soldaten den muslimischen Märtyrertod verherrlicht hat. Der alte Vizepräsident Ahmet Hamidi wiederum musste quasi in letzter Minute vor der anstehenden Amtsübergabe zurücktreten, weil er sich zu seltsamen Aussagen über die Konstitution von Frauen verstiegen haben soll ("kleinere Brüste" und mehr "Körperbehaarung" bei zu viel Sport).

Kein leichter Start also für Sanac, der in den nächsten vier Jahren rund 100.000 Muslime von geschätzten 500.000 im Land vertreten soll. Seine Anliegen liest der neue Präsident zehn Minuten lang wie ein Kommuniqué vom Blatt: eine höhere Frauenbeteiligung erwirken. Die muslimischen Vereine zu stärkerer Beteiligung am kommunalen Leben anhalten. Infrastruktur und Homepage modernisieren. Mitarbeiter und Schulungen für Imame professionalisieren.

Ob sein neuer Vize nicht auch gleich zurücktreten solle? "Wozu?", fragt Sanac nur - um anzuheben, dass es in allen Kulturen Märtyrer gebe, ihnen Denkmäler gewidmet seien. Er selbst habe schon an einer Feier für die Heilige Barbara teilgenommen. Nur dass die Frau der Legende nach wegen ihres Glaubens enthauptet worden sein soll, der Bildtext im Schulbuch aber erklärte: "Ein Muslim, der auf dem Weg Allahs und zur Verteidigung der Heimat stirbt, ist ein Märtyrer."

Ob muslimische Mädchen nun am Schwimmunterricht teilzunehmen haben - oder nicht? Sanac ärgert sich über die Schlichtheit solcher Fragen. Für muslimische Schüler gelte das Gleiche wie für alle anderen - treten Probleme auf, würden die Behörden einschreiten. Im Übrigen hätte man andere Probleme dringend zu lösen, wie die hohe Arbeitslosigkeit.

"Wir warnen die Leute vor Extremismus", erklärt Sanac noch. Fügt aber hinzu, dass der Spielraum beschränkt sei, weil: "Wir sind keine Sicherheitsbehörde."(Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 1.7.2011)