Die Länder fordern stärkeres Sparen, keine EU-Steuern. Das Parlament sieht das genau umgekehrt.
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Die Einführung einer EU-weiten Finanztransaktionssteuer (FTA), die auf mittlere Sicht einen beträchtlichen Teil des gemeinsamen EU-Budgets abdecken soll, dürfte zum heißesten Eisen bei den beginnenden Verhandlungen um den langfristigen Haushaltsplan (2014 bis 2020) der Union werden. Dies zeichnete sich am Donnerstag in ersten Reaktionen aus EU-Staaten und dem Europaparlament auf die von Präsident José Manuel Barroso vorgetragenen Pläne der EU-Kommission ab.
Die Pläne seien "komplett unrealistisch", richtete der britische Premierminister David Cameron Richtung Brüssel aus. London lehnt die Einführung einer FTA rundweg ab, weil sie den Finanzplatz London besonders treffen könnte, hält aber auch die Sparanstrengungen durch die Kommission für nicht ausreichend. Auch vom deutschen Außenminister Guido Westerwelle, dessen Regierung eine Transaktionssteuer selber forciert, aber in nationale Budgets fließen lassen will, kam ein Nein: "Es gibt keinen Bedarf für eine solche Steuer, denn die EU hat kein Finanzierungsproblem", sagte er. Man brauche "strikte Ausgabenbegrenzung".
Ablehnend gegenüber einem "viel zu hohen Ausgabenniveau" zeigten sich auch die Regierungen in Schweden und in den Niederlanden - Nettozahlerländer (die mehr ins EU-Budget einzahlen als sie aus EU-Töpfen erhalten).
Positive Reaktionen aus Österreich
Nur aus Österreich kamen seitens Finanzstaatssekretär Andreas Schieder für die SPÖ eine positive Reaktion. Er verwies darauf, dass Österreich sich als eines der ersten Länder für die Einführung einer Transaktionssteuer ausgesprochen habe. Breite Unterstützung gibt es hingegen von den wichtigsten Fraktionen im EU-Parlament. Dieses spricht sich mit großer Mehrheit schon lange für eine Finanzsteuer aus. Der liberale Fraktionschef Guy Verhofstadt nannte den Beschluss der Kommission Donnerstag einen "fantastischen Vorschlag".
Die Haushaltsvorschau sieht, wie berichtet, bis zum Jahr 2020 Ausgaben von insgesamt 1025 Milliarden Euro vor (verteilt über sieben Jahre), was real ein Einfrieren der Mittel bedeutet. Starke Kürzungen soll es im Agrarbereich (minus 14 Prozent) geben, was zu heftiger Kritik der Bauernverbände führte. Die Regionalförderung der EU wird durch zusätzlich 40 Milliarden Euro für Transeuropäische Infrastrukturnetze ausgebaut.
Die größten strukturellen Änderungen würden aber auf der Einnahmenseite erfolgen, nicht nur durch eine neue Transaktionssteuer, die laut Kommission ab dem Jahr 2018 rund 20 Prozent des Budgets abdecken soll. Gerechnet wird dann mit einem Aufkommen von 60 Milliarden Euro aus der Steuer, davon soll die Hälfte nach Brüssel fließen. Ziel sei es, den hohen Finanzierunganteil der Union durch nationale Beiträge (derzeit fast 80 Prozent am Gesamtbudget) zu reduzieren, hieß es in Brüssel. Das würde die nationalen Budgets, die Nettozahler entlasten, und auch die Steuerzahler .
Denn neben der FTA soll auch ein geändertes System der Mehrwertsteueranteile kommen, die ins EU-Budget fließen. Im Jahr 2020 könnten die nationalen Beiträge auf unter 50 Prozent sein. (Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD, Printausgabe, 1.7.2011)