In den zum wöchentlichen Ritual erstarrten Meinungsumfragen zur Position der Parteien liegt die FPÖ nur knapp hinter der ÖVP an dritter, gelegentlich und je nach Art der Befragung auch vor dieser an zweiter Stelle. Dass dies an konstruktiven Beiträgen Freiheitlicher zur österreichischen Politik liegen könnte, behaupten nicht einmal sie selber. Solange sich am Stil der Regierung nichts ändert, sind sie auf solche nicht angewiesen. Sie gedeihen auf dem Misthaufen eines platten Populismus vor allem deshalb gut, weil sogar Regierungsmitglieder gelegentlich finden, Strache habe nicht in allem Unrecht, statt dessen Bierzeltfaschismus ebenso sachlich wie entschieden entgegenzutreten.

Die Koalition mag in vieler Hinsicht gelähmt wirken. Sie erscheint aber geradezu ehrlich vorwärtsdrängend im Vergleich zu dem Parteiprogramm, das sich H.-C. jüngst auf die geschniegelte Führerfigur schneidern ließ. Im Bewusstsein, dass kaum einer ihrer möglichen Wähler ein solches Papier je studieren werde, frönen die Autoren darin einer ideologischen Rückwärtsgewandtheit, die nur vom Zynismus offen zur Schau gestellter Widersprüchlichkeit übertroffen wird. "Ohne jede Schönfärberei bekennt man sich zur "deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft", jubelt Zur Zeit, was vermutlich eine besonders raffinierte Umschreibung dafür sein soll, dass sich "der Österreich-Patriotismus, den man in der Haider-Ära zuerst mit eher taktischer Motivation entwickelt hat, im neuen Programm gestärkt wiederfindet."

Gestärkt heißt: noch taktischer. Und um nur ja nichts auszulassen, was man bei Auftritten mit Kreuz brauchen könnte: "Das einst so lautstark proklamierte 'wehrhafte Christentum' des Ewald Stadler bleibt weiter vorhanden als Bekenntnis zur christlich-abendländischen Leitkultur - die als solche nie so genannt wird", damit sie nicht der deutschen Kulturgemeinschaft in die Quere kommt. Überhaupt, wo wäre Österreich, würde sich die FPÖ nicht ununterbrochen für die Freiheit zersprageln, "von der Meinungsfreiheit über die Pressefreiheit", und - da schau her! - "bis hin zum allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrecht"? Vielleicht dort, wo heute die Ungarn mit ihrer Meinungs- und Pressefreiheit sind. Denn mit Jobbik-Vertretern und anderen nationalistischen Schmuddelparteien in einer EU-Partei zu sitzen, hat ein Strache keine Berührungsangst. Moderatere Rechtspopulisten in Europa scheuen davor zurück.

"Identitär, emanzipatorisch und plebiszitär" wollen sie sein. Demokratisch kommt nicht vor. Identitär soll heißen Beschränktheit auf "Heimat", emanzipatorisch, man sei "gegen den rot-schwarzen Proporz", in der Hoffnung, die noch immer schmerzhaften Folgen des schwarz-blau-orangen Proporzes mit seinen Skandalen würden der jetzigen Koalition angeschrieben.

Aber plebiszitär, das meinen sie ehrlich. "Die Mobilisierung der Bürger und die Rückkoppelung an die Gefühlslage der Bevölkerung sind das wesentliche Gestaltungsmerkmal freiheitlicher Politik." Stimmt. Erst aufhetzen, und sich dann zum Vollstrecker eines diffusen Volksgefühls ernennen. Wenn die Krone hilft und die Koalition nichts dagegensetzt, könnte es funktionieren.(Günter Traxler, DER STANDARD, Printausgabe, 1.7.2011)