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"Dieses ganze Berühmtsein kann dir schnell zu Kopf steigen. Mir ist es zu Kopf gestiegen."

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Standard: Welches Trainingspensum spulen Sie in Los Angeles ab?

Rogan: Am Vormittag sind es zwei Stunden Vollgas im Wasser. Und am Nachmittag noch zwei beinharte Stunden in der Kraftkammer. In der intensivsten Phase komme ich auf fünf Stunden. Ich könnte auch acht Stunden trainieren, aber nie in dieser Intensität.

Standard: Ist das Schlimmste der WM-Vorbereitung überstanden?

Rogan: So würde ich das nicht sagen. Wir machen jetzt zwar weniger Distanz im Wasser, aber kommen immer mehr auf Tempo. Du musst dich in dieser internationalen Trainingsgruppe sowieso jede einzelne Einheit voll auspowern. Ausruhen gibt es nicht. Bei der Kurzbahn-WM in Dubai 2010 wäre unsere Gruppe, wäre sie eine eigene Nation, das zweitbeste Land der Welt gewesen.

Standard: Früher haben Sie vor Wettkämpfen gerne Regenerationsphasen eingelegt. Wurden diese jetzt gestrichen?

Rogan: Im Schwimmsport hat sich viel verändert, alles ist schneller geworden. Früher war die Idee folgende: so hart wie möglich arbeiten, sich dann erholen und hoffen, zum Wettkampf in Form zu kommen. Unsere Philosophie hier in Los Angeles ist es, so oft wie möglich auf Wettkampftempo zu trainieren und unsere Körper zu zwingen, immer mehr auszuhalten. Der Wettkampf selbst soll die Krönung sein. Und im Idealfall soll er leichter sein als das Training.

Standard: Empfinden Sie das Training mit Olympiasiegern und Weltmeistern im Becken manchmal als Schinderei?

Rogan: Nein. Ich sehe das amerikanischer und nenne es kämpfen. In Wahrheit ist es ja ein Luxus, dass ich trainieren kann. Ich habe ja probiert, einen normalen Job zu machen, in dem es nicht darauf ankommt, dass du mehr aushältst als andere. Das war es nicht. Ich habe lieber Situationen, wo ich an meine Grenzen gehen muss. Und die erlebe ich hier jeden Tag.

Standard: Was wäre der für Sie angemessene Output? Eine WM-Medaille in Schanghai?

Rogan: Nicht unbedingt. Ich schwimme, weil es mir Spaß macht. Wenn du ein Rennen richtig erwischst, hast du in zwei Minuten eine Erfüllung, die über Wochen und Monate andauern kann - weil du es geschafft hast, alles, was du hast, was du geben kannst, auch umzusetzen. Das ist für mich die stärkste Droge.

Standard: Diese Erfüllung wollen Sie sich nicht bei der WM holen?

Rogan: Ich schwimme ja neue Strecken. Also 200 Meter Lagen und 200 Meter Kraul, die ich noch nie bei einer Langbahn-WM geschwommen bin. Schön wäre eine Medaille schon, natürlich. Die 200 Meter Lagen sind das schwierigste Rennen, Michael Phelps und Ryan Lochte sind die besten Schwimmer aller Zeiten. Aber sie müssen auch erst einmal 200 Meter weit schwimmen. Das ist ein großes Experiment, diese Strecken möchte ich auch bei Olympia in London schwimmen.

Standard: Sie verzichten auf die Rückenstrecken, auf denen Sie die Mehrzahl Ihrer 32 Medaillen erschwommen haben. Weshalb?

Rogan: Ich schwimme seit 23 Jahren. Ich glaube, dass ich genug Rücken geschwommen bin. Meine einzige Steigerungsmöglichkeit wäre olympisches Gold. Und da weiß ich ehrlich nicht, ob ich das draufhabe. Ich habe alles rausgeholt, das ist halt nur Weltmeister und Vize-Olympiasieger.

Standard: Über 200 m Lagen trauen Sie sich den Olympiasieg zu?

Rogan: Auf Lagen und Kraul kann ich mich extrem schnell verbessern, das gibt mir Aufschwung. Ich bin mir sicher, dass ich in London über 200 m Lagen mehr erreichen kann als über 200 m Rücken.

Standard: Dinko Jukic ist nach einem verweigerten Dopingtest in die Schlagzeilen geraten. Es läuft ein Verfahren, dennoch steht er im WM-Team. Fürchten Sie, dass dieser Fall Unruhe hineinbringt?

Rogan: Das beunruhigt keinen. Im Vergleich dazu, neben vier Russen Vollgas schwimmen zu müssen, ist diese Unruhe eine Kleinigkeit. Ich weiß ja nicht, wie das Verfahren ausgeht. Ich würde sagen, im Zweifel für den Angeklagten, Dinko soll so lange schwimmen, bis alles geklärt ist. Es wäre nur schade, wenn sich die österreichische Kraulstaffel mit ihm und mir in Schanghai für Olympia qualifiziert und er dann gesperrt wird.

Standard: Wie ist es in Los Angeles mit Dopingtests?

Rogan: Dadurch, dass wir so viele gute Schwimmer haben, sind wir permanent unter Beobachtung. Ich bin in diesem Jahr sicher schon zehnmal getestet worden.

Standard: Ist Ihr Leben in den USA so wie vorgestellt?

Rogan: Vom Training her ist es fantastisch. Auf der anderen Seite: Wien ist schon schön. Das, was mich hier stört, sind die hohen Preise. Ich kann mir in Los Angeles den Lebensstil nicht leisten, den ich mir in Wien leisten könnte. Andererseits tut es mir gut, in Anonymität zu leben. Dieses ganze Berühmtsein kann dir schnell zu Kopf steigen. Mir ist es zu Kopf gestiegen.

Standard: Sind Sie froh, nicht mehr im Mittelpunkt zu stehen?

Rogan: Es ist entspannter. Eine ewige Diskrepanz hat mich in Österreich geärgert: Wenn du einen Abend in der Woche bei einer Veranstaltung warst, haben das drei TV-Sendungen gebracht. In der gleichen Woche hast du zwölfmal trainiert, keine einzige Kamera war dabei. Die Wahrnehmung war, dass ich dreimal fort war und nullmal trainiert habe. Ich musste mich permanent rechtfertigen.

Standard: Ihren Job als Private Banker bei Raiffeisen haben Sie 2009 aufgegeben. Wie sieht Ihre Zukunftsplanung jetzt aus?

Rogan: Wenn ich das wüsste. Die nächsten 400 Tage werde ich schwimmen. Ich kann mir vorstellen, dass ich mich nachher noch mehr für das Projekt "Tesfaye" für äthiopische Kinder engagiere. Ich bin nicht auf Jobsuche. Eigentlich habe ich mir gedacht, mit 30 sollte ich langsam wissen, was ich langfristig machen möchte. Hat nicht funktioniert. (DER STANDARD Printausgabe; 2., 3. Juli)