Die französischen Sozialisten jubeln: Ihr einstiger Global-Star Dominique Strauss-Kahn ist wieder frei und zurück auf der Bühne. Seine Staranwälte haben zwar (fast) ganze Arbeit geleistet und die Glaubwürdigkeit des "Opfers" erschüttert. Man konnte sie in ein offensichtlich auch selbst inszeniertes Rot- und Zwielicht rücken. Es steht Aussage gegen Aussage. Nach wie vor. Aber die ihre hat jetzt weniger Gewicht.

Kann so ein Mann zum französischen Präsidenten gewählt werden? Sicher, wenn ihn die Sozialisten nominieren und das Volk ihm eine Mehrheit über Nicolas Sarkozy verschafft. Er wäre dann ganz legal an der Macht und (mit seinem Wissen) einer der Mächtigsten der Welt.

Er wäre, was die Beziehungen mit Frauen betrifft, keine Ausnahme unter den französischen Präsidenten. Zwei Beispiele: Aus einer Beziehung François Mitterrands entwickelte sich eine Parallelfamilie, die lange vor der Öffentlichkeit geheim gehalten wurde. Und Valéry Giscard d'Estaing lieh sich von Freunden immer verschiedene Autos aus, um seine adelige Geliebte zu besuchen.

Aber die kurze Affäre im New Yorker Sofitel ist etwas anderes. Sie hat zweifellos stattgefunden, höchst wahrscheinlich als ganz bewusster Exzess beider Seiten. Sie war jedenfalls keine Begegnung zwischen Menschen, deren Beziehung sich über längere Zeit entwickelt hat, sondern ein "Quickie" und ein sexueller Event Noon im Luxushotel.

Dominique Strauss-Kahn kann tun, was er will - vor allem, weil seine Frau die Eskapaden in der Öffentlichkeit deckt. Aber ein Mann, der Präsident einer politischen Mittelmacht werden möchte, darf kein Sicherheitsrisiko sein.

Strauss-Kahn ist es. Selbst dann, wenn rechtlich nichts an ihm hängen bleibt. Dies ist der Grund, warum linke Fans, wie der ehemalige Kulturminister Jack Lang, auf den Boden der Realitäten zurückkehren sollten.

Strauss-Kahn ist immer wie ein Duodezfürst aufgetreten. Man konnte ihn zum Beispiel bei EU-Gipfeltreffen erleben - immer an der Spitze einer großen Entourage. Gefehlt hat nur die barocke Perücke.

Sein Gegenüber als Bewerber um die Präsidentschaft wäre der unbeliebte gegenwärtige Amtsinhaber - eben Sarkozy. Die Franzosen haben ja eine eigenartige Vorstellung von Macht und Repräsentanz. Ludwig XIV. lebt ebenso weiter wie Napoleon Bonaparte. Aber einem Sarkozy mit der (im Vergleich zu ihm) jungen Mutter Carla Bruni an seiner Seite könnte es gelingen, die vielen Fehler seiner Amtszeit ins Vergessen zu drängen.

Andererseits: Die Franzosen wissen auch, wie unbeliebt sie in den USA sind. Weshalb viele von Anfang an die Inhaftierung des Ex-IWF-Chefs für eine Verschwörung hielten, die den US-Anklägern in ihr vorgeformtes Bild eines verdorbenen Franzosen passte. Dass ihn laut Umfrage 49 Prozent zurück in der Politik haben wollen, ist ein Ergebnis dieser Sichtweise.

Strauss-Kahns Fall birgt sicher noch einige Überraschungen. Dann nämlich, wenn der Angegriffene sich in einen Sieger verwandeln würde. Über Sarkozy und gegen die USA. (Gerfried Sperl/DER STANDARD, Printausgabe, 4.7.2011)