Brüssel/Wien - Der Fall des korruptionsverdächtigen früheren ÖVP-Europaabgeordneten Ernst Strasser ist für die EU-Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF von besonderem Interesse. "Intern habe ich diese Untersuchung zur Priorität gemacht, damit sie schnell abgeschlossen wird - spätestens bis Ende des Jahres", sagte OLAF-Chef Giovanni Kessler der Tageszeitung "Kurier" (Montagsausgabe).

Strasser war britischen Enthüllungsjournalisten auf dem Leim gegangen, die ihm als Lobbyisten getarnt Geld für das Einbringen von Gesetzesvorschlägen anboten. Nach Bekanntwerden der Affäre im März trat Strasser auf Druck des damaligen ÖVP-Chefs Josef Pröll zurück.

Scharfe Kritik am Europaparlament

Kessler übte scharfe Kritik am Europaparlament, das den OLAF-Ermittlern zunächst den Zutritt zu Strassers Büro verweigert hatte. "Ich habe denen gesagt, sie sollen die Finger von unseren Kompetenzen lassen. Wenn sie nicht wollen, dass wir Mitglieder des Europa-Parlaments untersuchen, müssen sie die EU-Gesetzgebung ändern", sagte der Italiener an die Adresse von EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek. OLAF habe sich "offiziell beschwert", sagte Kessler.

Der Chef der 400 EU-Betrugsbekämpfer forderte die Schaffung einer europäischen Anklagebehörde, um grenzüberschreitende Korruptionsfälle wirksamer bekämpfen zu können. Derzeit sei OLAF nämlich bei der Verfolgung von Straftaten auf die jeweiligen nationalen Justizbehörden angewiesen. "Das muss schleunigst geändert werden. Ein Europäischer Staatsanwalt wäre die Lösung, so wie das der Vertrag von Lissabon vorsieht, und ein harmonisiertes Strafrecht für alle Fälle von Betrug und Korruption, die gegen EU-Interessen gerichtet sind." Der europäische Staatsanwalt könnte die Fälle dann selbst vor die nationalen Gerichte bringen.

An die Adresse der EU-Kritiker sagte Kessler: "Es gibt immer mehr Verbrechen auf multinationaler Ebene. Da wäre es doch illusorisch, das ausschließlich in nationaler Kompetenz zu belassen." (APA)