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Dienstag in Karlruhe: Finanzminiter Wolfgang Schäuble (r.) begrüßt die Ankläger Wilhelm Hankel, Karl Albrecht Schachtschneider, Wilhelm Noelling und Joachim Starbatty (v.l.n.r.).

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In den Händen der Bundesverfassungsrichter in Karlsruhe liegt nicht unbedingt das Schicksal Europas, aber an den grundsätzlichen Fragen könnten sie schon rütteln.

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Ein paar Männer mit einer Beschwerde kämpfen ab heute Dienstag am deutschen Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gegen die Euro-Rettungspakete. CSU-Politiker Peter Gauweiler sowie eine Gruppe von Professoren rund um den Nürnberger Staatsrechtler Karl-Albrecht Schachtschneider haben nämlich gegen die Hilfen für Griechenland und den im vergangenen Jahr installierten Rettungsschirm für klamme Euro-Staaten geklagt.

Deutschland gilt als einer der Groß-Zahler, wenn es um die Rettungspakete geht, schon 8,4 Milliarden Euro flossen allein nach Griechenland. Eine neue Finanzspritze für das in die Bredouille geratene Mittelmeerland wurde gerade auf den Weg gebracht.

In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen (FAZ) fasst Schachtschneider das Kernargument gegen die Euro-Rettung so zusammen: "Sie verstößt gegen grundlegende Vorgaben der europäischen Verträge und Strukturprinzipien der Währungsunion, nämlich gegen das Verbot, für Verbindlichkeiten anderer Staaten einzustehen."

Bail-Out-Verbot verletzt

Kurzum: Schachtschneider und seine Mitstreiter sehen das Bail-Out-Verbot verletzt: Im „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union" - besser bekannt als „Lissabon-Vertrag" sei festgesetzt, dass ein Mitgliedsstaat nicht für die Verbindlichkeiten eines anderen hafte. Die Euro-Rettung widerspreche genau diesem Prinzip. Die Bundesregierung dürfte hier wohl argumentieren, dass das Verbot nach seinem Zweck nicht ganz so umfassend gemeint sein könnte, wie es auf den ersten Blick erscheint.

Die große Frage sei schlicht, ob die Bürger einen Anspruch auf rechtmäßiges Handeln des Bundestages hätten oder nur darauf, dass er überhaupt handelt. Auch, dass die Hilfen ja an harte Bedingungen für die Griechen gebunden seien, lässt Schachtschneider nicht gelten. Man würde für die Eurorettung in die Finanzpolitik anderer Staaten hineinregieren - soweit ginge nicht einmal der deutsche Länderfinanzausgleich, rügt er.

Das ist auch ein weiteres Argument der Kläger: Mit den Hilfsmaßnahmen würde eine Art Finanzausgleich eingeführt, die Währungsunion würde zur Haftungsgemeinschaft - und das würde eine Art Bundesstaat aus ihr machen. Damit könnte eine Grenze der europäischen Integration überschritten sein, die das Verfassungsgericht im Urteil zum EU-Vertrag von Lissabon gezogen hatte. Denn während sich viele Ökonomen eine gemeinsame Wirtschaftsregierung für die Euro-Staaten wünschen, hat das deutsche Bundesverfassungsgericht der Integration Grenzen gesetzt. Ein europäischer Bundesstaat wäre unter dem Grundgesetz nicht möglich.

Genau hier ortet Schachtschneider im FAZ-Interview ebenfalls jede Menge Verstöße: Das Prinzip der Haushalts- und Budgethoheit, das Prinzip der begrenzten Kreditaufnahme (Deutschland verschulde sich mit den Rettungspaketen über das verfassungsrechtlich zulässige Maß) und das soziale Stabilitätsprinzip (die Regierung stürze Deutschland in eine prekäre finanzielle Situation), zählt der Ankläger auf.

Was nun?

Was aber könnten die Richter und Richterinnen des Zweiten Senats unter Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle äußerstenfalls tun - falls sie denn die Hilfen für verfassungswidrig halten? Das Geld aus Griechenland zurückholen? Das wird nicht gehen - schon, weil es nicht mehr da ist. Ein komplettes Verbot künftiger Zahlungen wäre zwar denkbar, gilt aber als wenig wahrscheinlich - die geleisteten Zusagen Deutschlands wären hinfällig, die Reaktion der Märkte unkalkulierbar.

Als wahrscheinlicher gilt es, dass das Gericht - wenn es überhaupt von einer Grundrechtsverletzung ausgeht - Auflagen für die Zukunft macht, zum Beispiel für eine bessere Einbindung des Bundestages. Das Gericht, glaubt auch Klägervertreter Schachtschneider, werde "um schonenden Übergang bemüht sein - nicht zu Unrecht". Für ihn wäre die optimale Lösung, wenn für weitere Maßnahmen eine neue vertragliche Grundlage gefordert werden und darüber eine Volksabstimmung bestimmen würde.

Das höchste deutsche Gericht ist nun also ab heute an der Reihe und wird sich mit dem Thema beschäftigen. Dabei wird die Berliner Regierung den Richtern im roten Gewand Rede und Antwort stehen müssen.

Finanzminister Wolfgang Schäuble ist selbst in Karlsruhe die Hilfen verteidigen. Er sprach sich am Dienstag wie erwartet für die Finanzhilfen aus. "Eine gemeinsame Währung kommt nicht ohne Solidarität der Mitglieder aus", sagte Schäuble in der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe. Diese Solidarität müsse klaren Regeln gehorchen und helfen, die Ursachen der Probleme zu beseitigen. Die Auswirkungen der Krise auf die Stabilität des Finanzsystems hätten sich nicht abschätzen lassen, sagte Schäuble. Angesichts einer drohenden Zahlungsunfähigkeit habe sich den Regierungen die Frage gestellt, ob die Finanzmärkte die Belastung einer Pleite Griechenlands ausgehalten hätten.

Die Verhandlung ist auf einen Tag angelegt. Ein Urteil soll es aber erst im Herbst geben. (rom/APA, derStandard.at)