Tunis/Paris - Der frühere tunesische Diktator Zine el Abidine Ben Ali ist in Abwesenheit zu einer weiteren langen Haftstrafe verurteilt worden. Fünfeinhalb Monate nach seiner Flucht ins saudi-arabische Exil verhängte ein Strafgericht in Tunis am Montagabend 15 Jahre und sechs Monate Gefängnis gegen den Ex-Präsidenten. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der heute 74-Jährige illegal Drogen, Waffen und archäologische Fundstücke besaß.
Die illegalen Güter, darunter zwei Kilogramm Haschisch, waren in einem von Ben Alis Palästen entdeckt worden, nachdem dieser am 14. Jänner nach Massenprotesten aus dem Land geflohen war. Neben der Haftstraße verhängte das Gericht eine Geldstrafe in Höhe von 108.000 Dinar. Das sind umgerechnet rund 54.000 Euro.
Millionen-Geldstrafe
Der Prozess am Montag musste wie bereits der erste am 20. Juni ohne den Angeklagten stattfinden. In dem ersten Verfahren war Ben Ali ebenso wie seine Frau Leila wegen Veruntreuung von Staatsvermögen zu 35 Jahren Haft verurteilt worden. Zudem sollen sie 91 Millionen Dinar (rund 46 Mio. Euro) Geldstrafe und Schadensersatz zahlen.
Die Aufarbeitung der Verbrechen des gestürzten Ben Ali gestaltet sich unterdessen weiter schwierig. Bereits zum Auftakt des zweiten Prozesses am Montag verweigerten die beiden Pflichtverteidiger ihre Arbeit. Sie warfen dem Gericht vor, dem ehemaligen Staatschef einen fairen Prozess zu verweigern. "Wir wollen an diesem Gerichtsverfahren nicht teilnehmen", kommentierte Hosni Beji unter Verweis auf die kurze Vorbereitungszeit. Das Gericht hatte zuvor einen Antrag auf Aufschub des Prozesses abgelehnt. Es ließ sich auch nicht von der Arbeitsniederlegung der Anwälte umstimmen.
Im Zuschauerraum spielten sich tumultartige Szenen ab, nachdem die Verteidigung ihr Mandat niedergelegt hatte. Besucher beschimpften die Anwälte als Verräter und forderten sie auf, den Gerichtssaal zu verlassen: "Ihr hättet die jungen Leute verteidigen sollen, die durch Ben Alis Waffen getötet wurden", riefen sie. Der Richter setzte die Verhandlung nach kurzer Unterbrechung fort und verlas die Anklageschrift.
Ben Ali hatte die Vorwürfe im Juni zurückgewiesen. Weitere Prozesse gegen den 23 Jahre herrschenden Ben Ali sollen in den kommenden Monaten folgen. Insgesamt liegen gegen ihn und seinen Clan mehr als 90 Anklagepunkte vor. Wegen Tötungsverbrechen und Folter könnte Ben Ali vor einem Militärtribunal sogar die Todesstrafe drohen. Dass er jemals zur Rechenschaft gezogen werden kann, gilt jedoch als unwahrscheinlich. Saudi-Arabien reagierte bisher nicht auf Auslieferungsgesuche. (APA/Reuters)