Die ÖBB als Bahnhof: Ankünfte und Abfahrten stehen in den Gremien der Staatsbahn auf der Tagesordnung. Viele davon sind politisch motiviert.

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Die Regierungsparteien werden in den Aufsichtsräten der ÖBB bald wieder in gewohntem Gleichgewicht präsent sein. Mit der Hauptversammlung im August endet die ÖBB-Absenz – und die Roten bauen ein bisschen um.

Wien – Im ÖBB-Holding-Aufsichtsrat bahnt sich eine Vergrößerung und eine kleine, aber feine Rochade an. Die ÖVP, verlautet aus hohen Partei- und Bahnkreisen gleichermaßen, wolle den Aufsichtsrat nach mehr als einem Jahr Abstinenz doch wieder mit Vertrauensleuten beschicken. Und die SPÖ will die am 18. August anberaumte ordentliche Hauptversammlung nützen, um endlich eine lang geplante, aber delikate Personalentscheidung durchzuziehen und Rechtsanwalt Leopold Specht loszuwerden.

Bisher hatte Verkehrsministerin Doris Bures den Vertrauten von Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer im ÖBB-Kontrollgremium gehalten – obwohl dieser bei Gusenbauers Nachfolger nur gelitten ist. Anlässlich der jüngsten Aufsichtsratssitzung der ÖBB-Holding kam es dem Vernehmen nach aber zu einem gröberen Zerwürfnis. Specht habe zeitgerechte und umfassende Informationen urgiert und "ein bisschen zu viele kritische Fragen gestellt", wie es ein Sitzungsteilnehmer formuliert. Seither geht das Ondit, Specht wäre "ungefähr so wertvoll für die Bahn, wie der (im Zuge der Regierungsbildung abgelöste Finanzstaatssekretär Reinhold) Herr Lopatka".

Wer für die rote Reichshälfte statt Specht als ÖBB-Kapitalvertreter engagiert werden soll, darüber schweigt man sich im Büro Bures ebenso aus wie über die Nominierungsliste des Koalitionspartners. Es sei noch mehr als ein Monat Zeit, hieß es.

Heute, Dienstag, gibt es für den aus Präsident Horst Pöchhacker, Paul Blumenthal, Kurt Eder, Specht sowie den Ministeriums-Entsandten Maria Kubitschek und Herbert Kasser und drei Belegschaftsvertretern bestehenden neunköpfigen Holding-Aufsichtsrat jedenfalls nur eine informelle Sitzung. Einziges Thema: ÖBB-Strategie und insbesondere der Strategieprozess für die ins Schlingern geratene Staatsbahn.

Der Plan, den Strategieprozess in die Hände des Unternehmensberaters McKinsey zu legen, wurde in der Juni-Sitzung verworfen. 380.000 Euro Beratungshonorar waren den ÖBB-Verantwortlichen dann noch zu heikel, zumal Kernfragen wie die Zukunft des alljährlich mit Millionen subventionierten Verschubs nicht einmal ansatzweise geklärt seien, wie in Eigentümerkreisen angemerkt wird. Auch die Organisationsreform in der Gütersparte Rail Cargo Austria (RCA) sei noch nicht umgesetzt.

Noch eine Prüfung in Italien

Apropos RCA: Die hat im Juni wohl die Rekapitalisierung der RCA-Italientochter Linea SpA. um mehr als fünf Millionen Euro auf Schiene gebracht. Die Linea-Bilanz 2009 wird allerdings erneut auf Ungereimtheiten untersucht – diesmal von der Kanzlei Lansky, dem langjährigen ÖBB-Rechtsberater. Wie mehrfach berichtet, geht es bei Linea um Rückstellungen für absehbar uneinbringliche Forderungen, die von der damaligen RCA-Führung – aus welchen Gründen auch immer – nicht vorgenommen wurden. Dadurch wurde allerdings die zugleich vorgenommene Kapitalerhöhung verwirkt und Linea war Ende 2010 wieder konkursreif.

Die nächste ordentliche Aufsichtsratssitzung soll nun am 12. Juli stattfinden. Am Tag später startet die Kaskade von Personenverkehr, RCA, Infrastruktur bis zu Immobilien und Postbus.

Kommen und Gehen

Für kleine, feine Postenbesetzungen in traditionellem Proporz-Stil ist übrigens auch unter der mit neuen Leuten besetzten ÖBB-Führung Platz: Ines Anger-Koch, Wiener ÖVP-Gemeinderätin, wurde im Juni für den Bereich Kontraktlogistik der RCA engagiert. Die studierte Politikwissenschafterin war ihrer Politikerzeit in der Güterbeförderung tätig und gilt als Vertraute der Wiener ÖVP-Chefin Christine Marek.

Einen schnellen Abgang hatte übrigens Otto Rainer Herko. Nach dem teuren Kauf von Raabersped in Ungarn trennte sich RCA von ihrem dafür verantwortlichen Prokuristen. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.7.2011)