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Amsterdam - Der niederländische Staat hat einem Gerichtsurteil zufolge den Tod dreier muslimischer Männer nach dem Fall der Stadt Srebrenica im Bosnien-Krieg von 1992 bis 1995 zu verantworten. Die niederländischen UN-Truppen hätten die Männer nicht ausliefern dürfen, sagte die Sprecherin eines Berufungsgerichts in Den Haag am Dienstag. Die niederländische Regierung muss den Angehörigen der drei Opfer Entschädigung zahlen. Das Urteil gelte nur für diesen Fall. Es gab damit den Familien der Massaker-Opfer Recht, die zuvor vergeblich vor Gericht Entschädigungen durch den niederländischen Staat verlangt hatten.

Niederländische UN-Friedenstruppen waren im Juli 1995 zuständig für das als „Sicherheitszone" ausgewiesene Gebiet Srebrenica, als dort 8.000 muslimische Männer und Buben ermordet wurden. In früheren Prozessen zu dem Massaker hatte die niederländische Regierung immer betont, ihre Truppen seien von den Vereinten Nationen wegen fehlender Luftunterstützung im Stich gelassen worden.

Das Berufungsgericht in Den Haag hatte noch am 30. März 2010 bekrätigt, dass die UNO Immunität genießen und nicht vor Gerichten einzelner Mitgliedstaaten belangt werden können. Damit scheiterte damals erneut die Klage der "Mütter von Srebrenica", mit der etwa 6000 Hinterbliebene eine Entschuldigung durch die Weltorganisation sowie Schadenersatz anstreben. 

Ein Foto ging um die Welt

Sie hatten in Den Haag geklagt, weil es niederländische Soldaten waren, die als UNO-Blauhelmtruppe Tausende bosnische Muslime schützen sollten - und versagten. Die Holländer überließen Srebrenica und die umliegenden Orte, die eine "Sichere Zone" für die muslimischen Flüchtlinge sein sollte, kampflos den bosnisch-serbischen Truppen unter General Ratko Mladic. Damals ging ein Foto um die Welt, das den Kommandeur des "Dutchbat" genannten niederländischen Blauhelm-Bataillons, Thomas Karremans, am 12. Juli 1995 beim scheinbar fröhlichen Zuprosten mit Mladic zeigte. Später erklärte Karremans, er sei geleimt worden. Man habe ihm bei einer Verhandlung plötzlich ein Glas in die Hand gedrückt und fotografiert. Eine Untersuchung bescheinigte den Niederländern, dass sie den Truppen von Mladic militärisch unterlegen waren und dass ihre dringende Bitte an die Führung der Friedenstruppen UNPROFOR und die NATO um Luftunterstützung ignoriert worden war. Zudem umfasste ihr UNO-Mandat keine Angriffsoperationen. Zurzeit muss sich der frühere bosnische Serbengeneral Ratko Mladic wegen des Massakers von Srebrenica vor dem Haager Kriegsverbrechertribunal verantworten.

Knapp sieben Jahre nach dem Völkermord enthüllte das unabhängige "Niederländische Institut für Kriegsdokumentation" (NIOD), wie die Regierung in Den Haag in einer Mischung aus humanitärer Betroffenheit und politischem Ehrgeiz leichtfertig unzureichend ausgerüstete und vorbereitete Soldaten nach Srebrenica entsandt hatte. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Wim Kok und sein Kabinett übernahmen im April 2002 die politische Verantwortung und traten zurück - kurz vor sowieso anstehenden Wahlen. (APA/Reuters)