Aus einer Mail, die Horst Lumper 2007 Gerald Matt schickte: Die geplante Vorgangsweise "dürfte auch bezüglich einer allfälligen Prüfung durch den Rechnungshof für die Kunsthalle von Vorteil sein".

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Wien - Ende April berichteten die Salzburger Nachrichten, dass Gerald Matt, Direktor der Kunsthalle Wien, versucht habe, für Ausländer die österreichische Staatsbürgerschaft zu erwirken. Diese Personen, angeblich "Kunstmäzene", seien bereit gewesen, nach der Einbürgerung je 1,4 Millionen Euro in eine zu gründende Privatstiftung einzuzahlen. Daraufhin schalteten die Grünen und die VP die Staatsanwaltschaft ein.

Laut Peter Lewisch vom Institut für Strafrecht und Kriminologie, von Matt mit einer Expertise beauftragt, sei die Intervention - die "Befürwortung einer Staatsbürgerschaftsverleihung für einen Kunstmäzen durch Vorsprache bei der Bundesregierung" - legal gewesen. Dennoch versuchen die Beteiligten, die Angelegenheit zu verharmlosen. Weder Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny, noch Kunsthallen-Präsident Thomas Häusle waren bereit, mit dem Standard zu sprechen. Renate Rapf, Mailath-Pokornys Mediensprecherin, antwortete auf mehrere Mails nur, dass es "immer wieder Anfragen zu Staatsbürgerschaftsangelegenheiten" gebe. Es würden lediglich "Informationen zum Prozedere erteilt".

Und Häusle stellte den Fall in einer Stellungnahme so dar: Horst Lumper, Rechtsanwalt aus Bregenz, hätte dem Kunsthallen-Vorstand Anfang 2007 mehrere potenzielle Großsponsoren vorgestellt. Die Kunsthalle hätte daraufhin "über die zuständigen Behörden und offizielle Kontakte die Frage geklärt, ob außerordentliche Sponsorleistungen an ein öffentlich gefördertes Kulturinstitut zu einer Verleihung der Staatsbürgerschaft" führen können. Mit der Abklärung sei Matt betraut worden. Alle Anfragen hätten jedoch diese Möglichkeit verneint, sodass die Bemühungen "2009 endgültig eingestellt" worden seien.

Abgesehen davon, dass die Leistung laut Gesetz bereits vor Antragsstellung erbracht sein muss und die Privatstiftung kein öffentlich gefördertes Kulturinstitut gewesen wäre, ereignete sich das Folgende: Im April 2007 nennt Horst Lumper in einem Mail an seinen Duz-Freund Gerald Matt die Namen Surbhi V., Sanat I. und Jane Ch. Sollte ihnen die Staatsbürgerschaft verliehen werden, werde deren Förderbetrag "umgehend" überwiesen. Als Honorar will Lumper "vier Prozent des tatsächlich fließenden Sponsorbetrags".

Matt schreibt am 1. Juni 2007 an Lumper: "Habe in unserer Angelegenheit bereits einen Termin beim Bürgermeister. Sollten allerdings, nach Meinung des Stadtrats, (...) Unbedenklichkeitserklärung (...) vorliegen haben. (...) Insgesamt scheint die Sache gut zu gehen." Lumper antwortet: "Ich kann Dir bestätigen, dass alle drei Bewerber vollkommen 'sauber' sind."

Lumper schlägt vor, dass die Kandidaten einen Sponsorvertrag mit der Kunsthalle unterschreiben, kommt von der Idee aber wieder ab. Am 17. September schreibt er Matt: "Es soll von vornherein jeder Anschein vermieden werden, wonach in Österreich gegen Bezahlung einer gewissen Geldsumme die Staatsbürgerschaft verliehen wird. (...) Vielmehr würde ich mich (...) dafür verbürgen, dass die Gelder dann an die Kunsthalle oder eine Stiftung überwiesen werden, sobald klar ist, dass die Staatsbürgerschaft verliehen werden wird. Dies dürfte auch bezüglich einer allfälligen Prüfung durch den Rechnungshof für die Kunsthalle von Vorteil sein."

Von nun an ist von vier oder sogar fünf Personen die Rede: Neu hinzu kommen Samir Nasser Ali Hussein A. und die Russin Olga D. Matts Sekretärin berichtet Lumper am 23. Oktober, dass ihr Chef "vor kurzem einen Termin im Bundeskanzleramt" hatte; der zuständige Sekretär bräuchte Informationen, warum diese Personen die Staatsbürgerschaft wollen. Am 31. Oktober teilt Lumper u. a. mit, dass Sanat I. "nach Wien ziehen und sich fix in Österreich etablieren" wolle. Er sei "sehr vermögend und war in Kasachstan im Ölgeschäft tätig".

Am 11. Dezember 2007 gibt Lumper bekannt, dass von jedem der nun vier Kandidaten (ohne Jane Ch.) 50.000 Euro für die Gründung der Stiftung hinterlegt worden wären. Die von Matt eingeschaltete Kanzlei Dorda Brugger Jordis (DBJ) arbeitet am Entwurf einer Stiftungsurkunde. Lumper ersucht wiederum um Bestätigung, "dass der vereinbarte Zahlungsrückfluss in Höhe von vier Prozent akzeptiert wird".

Im Interesse der Republik?

Axel Anderl von der Kanzlei DBJ teilt Matt am 22. Jänner 2008 mit, dass er von Lumper Empfehlungsschreiben für die vier Kandidaten erhalten habe: "Herr Kollege Lumper hätte diese Schreiben gerne auf dem Briefpapier der Kunsthalle von Herrn Mag. Häusle oder einem 'im Gremium tätigen Prominenten' abgegeben." Er, Anderl, habe den Text verbessert: "Ich möchte hier nicht in eine (politische) Verantwortlichkeit der Kunsthalle bei Ausbleiben des weiteren Engagements kommen."

In der Folge erhält u. a. Häusle das Empfehlungsschreiben für Hussein A. , das er signieren soll. In diesem heißt es, dass sich Hussein A. und die anderen drei Personen "durch ihre Aktivitäten um die Kunsthalle Wien verdient gemacht" und "auch finanzielle Effekte für unser Haus bewirkt" hätten. Die Verleihung der Staatsbürgerschaft würde "im besonderen Interesse der Republik" liegen.

Am 28. März 2008 schreibt Häusle der Sekretärin von Matt: "Ich habe (.. .), wo notwendig, etwas angepasst/ausgebessert. Wie soll ich weiter damit verfahren?" Die Sekretärin mailt ihm daraufhin die gleichlautenden Empfehlungsschreiben für die drei weiteren Kandidaten und antwortet: "Vorschlag von Dr. Matt ist, dass ich Ihnen (auch Hr. Mag. Menz und Frau Wenckheim) die vier Briefe per Mail schicke, Sie sie dann auf Ihrem Briefpapier ausdrucken und unterschrieben an Dr. Matt bzw. an mich schicken. Ich werde dann alles gesammelt an die MA 61 weiterleiten."

Am 4. Juni 2008 teilt Anita Zemlyak, die damals im Büro von Mailath-Pokorny arbeitete, Matt mit, dass seit 5. Mai alle Anträge im Kulturministerium liegen: "Erst wenn von dort eine positive Stellungnahme abgegeben wird, kann die MA 35 die Anträge weiter bearbeiten, d.h. weiterleiten an das BKA. Ich werde dafür sorgen, dass diese schnellstens weiterbefördert werden, allerdings müsstest du mal im BMUKK nachstoßen."

Daraufhin, am 10. Juni, schreibt Matt dem damaligen Sprecher der Kulturministerin, Nikolaus Pelinka: "Lieber Niko, (...) die Akten liegen bereits bei SChef Mag. Andrea Ecker auf und bedürfen noch der Freigabe der Frau Bundesminister Schmied. Für Deine Hilfe bin ich Dir sehr verbunden, wie Du weißt, drängt die Zeit." Im August 2008 teilt Lumper mit, dass Sanat I. ob der Verzögerungen aussteigt. Als Ersatz schlägt er den Mann von Olga D. vor: Es dürfte "leichter sein, ein Ehepaar einzubürgern, das insgesamt EUR 2,8 Mio der Kunsthalle bzw. der Stiftung zur Verfügung stellt".

Dass es nicht so leicht ist, Ausländer einzubürgern, weiß man spätestens seit dem 27. Dezember 2008. An diesem Tag berichtete die Kronen Zeitung, dass sich Albertina-Direktor Klaus A. Schröder für zwei wohlhabende Ehepaare aus Moskau eingesetzt hatte. Wenige Tage vor Weihnachten sollte der Ministerrat dem Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft zustimmen. Doch die damalige Innenministerin Maria Fekter u. a. stoppten den Vorgang. Die Staatsbürgerschaft sei ein "viel zu hohes und sensibles Gut, um sie unter nicht gänzlich recherchierten Umständen zu vergeben".

Das Kulturministerium lässt sich daher Zeit. Lumper befürchtet ein Scheitern des Projekts. Matt setzt einen Brief an Lumper auf, schickt ihn an Häusle, und dieser antwortet am 11. März 2009: "Wir könnten vielleicht noch genauer auf die Bemühungen eingehen, die von unserer Seite bereits geschehen sind und noch wichtiger, was gerade geschieht - (...) - damit könnten wir noch mehr Sicherheit schaffen. (...) Hoffentlich gelingt uns das bald!" Matt startet noch weitere Aktivitäten. Ohne Erfolg. Am 11. Februar 2010 teilt Lumper mit, dass alle Kandidaten ihre Anträge zurückziehen. (Thomas Trenkler/DER STANDARD, Printausgabe, 6. 7. 2011)