Wien - Die im Vorjahr begonnene
wirtschaftliche Erholung in den Ländern Mittel- und Osteuropas wird nach Ansicht
der Analysten der Raiffeisen Centrobank nun auch die Nachzügler erfassen. Die
gesamte Region dürfte heuer um 3,8 Prozent wachsen, schätzt Peter Brezinschek,
Leiter von Raiffeisen Research. Für Österreich wird ein reales BIP-Wachstum von
3,3 Prozent erwartet, eine der stärksten Wachstumsraten innerhalb der Eurozone
(2,0 Prozent) - allerdings dürfte sich die Konjunktur im nächsten Jahr etwas
abkühlen und 2012 die 2-Prozent-Schwelle nur knapp erreicht werden, lautet die
Prognose.
Das Thema Griechenland und Schuldenkrise sei in der ersten
Jahreshälfte ein starker Einflussfaktor gewesen, sagte Brezinschek bei der Präsentation des Kapitalmarktausblicks von Raiffeisen für
Österreich und CEE. Mit den nun gesetzten Maßnahmen hinsichtlich einer
Finanzspritze und den von Griechenland selbst gesetzten Maßnahmen werde
Griechenland aber in der zweiten Jahreshälfte an Einfluss verlieren.
In
Mittel- und Osteuropa sehen die Analysten zwei Wachstumspole: Einerseits
Zentraleuropa mit Polen und der Slowakei an der Spitze, die eine stark
entwickelte Exportwirtschaft haben, was wiederum die Grundlage für eine starke
inländische Nachfrage sei, erklärte Brezinschek. Diese Sub-Region soll im
Gesamtjahr 2011 um 3,3 Prozent wachsen. Für die GUS-Länder wird für heuer ein
Wirtschaftswachstum von 4,5 Prozent angenommen, während Südosteuropa wegen der
schwachen Entwicklung im ersten Halbjahr nur auf ein BIP-Plus von 1,9 Prozent
kommen dürfte.
Warten auf Zinserhöhung
"Die Inflation ist im Zuge der Schuldenthematik etwas in
den Hintergrund geraten", sagte Brezinschek. In der zweiten Jahreshälfte 2011
und bis Mitte 2012 sei mit einem Rückgang der Inflationsraten in der gesamten
CEE-Region zu rechnen, daher dürften nur jene Länder ihre Leitzinsen anheben,
die sich an der Geldpolitik der EZB orientieren. Handlungsbedarf bestehe vor
allem in Polen und Tschechien, während Russland im zweiten Halbjahr mit 8,5
Prozent den Zinsgipfel erreichen werde. "Rumänien und Ungarn werden in der
zweiten Jahreshälfte einen sehr deutlichen Inflationsrückgang haben", so
Brezinschek, daher werde es in diesen Ländern keine Zinsanhebungen geben,
"vielleicht geht sich 2012 sogar eine Zinssenkung aus".
Die Wiener Börse
hat im ersten Halbjahr "keine gute Figur gemacht", sagte die Chefanalystin der
Raiffeisen Centrobank, Birgit Kuras, "sie ist aber etwas ungerechtfertigt zum
Handkuss gekommen". Schuld daran seien zum Teil Ängste rund um Kapitalerhöhungen
bei dem einen oder anderen ATX-Schwergewicht gewesen, es werde aber auch "immer
klarer, dass sich die neue Wertpapiersteuer negativ ausgewirkt hat auf den
Börsenplatz". Es habe deswegen im letzten Jahr erhebliche Vorziehkäufe gegeben,
während die Handelsvolumina an der Wiener Börse in den letzten zwei Monaten
drastisch zurückgegangen seien.
ATX bis Jahresende
über 3.000 Punkten
Für die ATX-Unternehmen erwartet Kuras
einen deutlichen aggregierten Gewinnanstieg von 31,8 Prozent in diesem Jahr und
20,9 Prozent für 2012. Kuras erwartet, dass der ATX bis September 2.850 Punkte
erreichen und bis Jahresende die 3.000-Punkte-Schwelle überschreiten
wird.
Eine Aktien-Kaufempfehlung gibt Stefan Maxian, Leiter des Company
Research der RCB, unter anderem für die OMV. Man sehe ein positives Umfeld für
Öl und Gas, "da wir damit rechnen, dass der Ölpreis fix über der
100-Dollar-Marke bleibt", im zweiten Halbjahr und 2012 auch 110 Dollar. Die
zweite Kaufempfehlung in dieser Branche sei Lukoil, die sehr stark förderlastig
sei und nicht teuer bewertet. Die Immobilienmärkte in Zentral- und Südosteuropa
entwickeln sich sehr unterschiedlich, "österreichische Immobilienwerte werden
nach wie vor mit einem deutlichen Abschlag gegenüber dem Net Asset Value
gehandelt", erklärte Maxian. Bei der Immofinanz betrage dieser Abschlag 43
Prozent, daher sei die Immofinanz ein interessanter Titel. "Auch bei Conwert
sehen wir Potenzial, allerdings ist der CEO heute zurückgetreten, da muss man
abwarten, was die Hintergründe sind." (APA)