Das Urteil, wonach die Niederlande für die Ermordung von drei Bosniaken in der damaligen UN-Schutzzone Srebrenica im Jahr 1995 verantwortlich sind, weil niederländische UN-Soldaten sie ihren Mördern, bosnisch-serbischen Soldaten, auslieferten, ist wegweisend. Der niederländische Staat wird belangt, obwohl die Soldaten unter UN-Kommando standen. Das Gericht argumentierte, dass die Truppen im Auftrag ihrer Regierung im Einsatz gewesen seien. Der UN-Schirm schützt also nicht vor nationaler Haftbarkeit. Wenn man dieser Argumentation folgt (gegen das Urteil kann noch berufen werden), dürften Regierungen künftig mehr Professionalität und Verantwortlichkeit ihrer UN-Truppen einfordern, um nicht mit Schadenersatzforderungen konfrontiert zu werden. Angesichts der Skandale, in die Blauhelme etwa in Afrika involviert waren, ist das ohnehin notwendig. Andererseits könnte das Zögern zunehmen, überhaupt Soldaten zu schicken.

Die Bosnier bekommen durch das Urteil nachvollziehbare Erklärungen für die grausame Geschichte, mit der sie leben müssen. Für andere Angehörige von Opfern wird es zwar schwierig werden, die Niederlande haftbar zu machen (im konkreten Fall hatten die UN-Soldaten die später Ermordeten trotz der Bitte, bleiben zu können, ausgeliefert), aber das Urteil regt dazu an, die politische Verantwortlichkeit für das schlimmste Verbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg nochmals zu diskutieren. (Adelheid Wölfl/DER STANDARD, Printausgabe, 7.7.2011)