Auf den Beschwerdeführer aus dem echten Leben, der mit im Saal saß, wusste Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz einzugehen. Ab jetzt würden die "Altschulden" in Sachen Integration getilgt, die Österreich in den vergangenen Jahrzehnten angehäuft habe, sagte er, als der Pressekonferenzbesucher sich darüber beschwerte, dass er es trotz dreier Berufsabschlüsse in Ägypten hierzulande bloß zum Kebabverkäufer gebracht habe.

"Wir können jetzt meinen, alles ist furchtbar - oder aber Schritt für Schritt gegensteuern", sagte der junge Politiker. Das sind Worte, die nach Tatkraft, nach konkreten Verbesserungsabsichten klingen. Wem zuletzt vielleicht schon schauderte, wohin die Missachtung des Umstands, dass Österreich von einer "Insel der Seligen" zu einem Einwanderungsstaat geworden ist, geführt hat, der fühlte sich fast verstanden.

Tatsächlich könnte ernst gemeinte, konsequente Integrationspolitik schon im Vorfeld gegen migrantenfeindliche Auswüchse wie das vor einer Woche beschlossene Vorarlberger Gemeindewohnungsverbot für Deutschunkundige helfen. Ebenso wie gegen die bisher systematische Missachtung ausländischer Berufs- und Studienabschlüsse, die dem Land eine Vielzahl akademisch gebildeter Taxifahrer beschert hat.

Aber das nur, wenn echte Bereitschaft zur Veränderung besteht, die sich gegen einheimische Besitzstanderhaltungsimpulse durchsetzt. Und die Einwandererdiskriminierung bekämpft, ohne aus Angst vor FPÖ und BZÖ in die Knie zu gehen.

Leider bestehen derartige Ausbremsgefahren. Aus dem am Mittwoch präsentierten 20-Punkte-Programm können sie zum Teil bereits abgelesen werden. Eine davon ist die Tendenz zu Integrationsmaßnahmen in Bestrafungsform; unter der ehemaligen Innenministerin Maria Fekter ein durchgängig verfolgter Ansatz. Da ist von geplanten "Sanktionen bei Verletzung der Schulpflicht" die Rede. Zwar drückte es Kurz freundlicher aus und sagte, man dürfe die Schule boykottierende Jugendliche "nicht fallenlassen": Doch was meinte er? Geldstrafen für Eltern? Polizeieinsatz gegen Schulschwänzer?

An anderer Stelle wiederum, bei den geplanten Maßnahmen gegen den Umstand, dass immer weniger Einwanderer österreichische Staatsbürger werden, wird ein Schaden beklagt, den das Haus selbst angerichtet hat.

Expertenratsleiter Heinz Fassmann schlug als Lösungsansatz eine "Verkürzung der Wartezeit" für besonders Integrierte vor. Dass das Staatsbürgerschaftsgesetz auf Vorschlag des Innenministeriums über Jahre verschärft worden ist und hohe Einkommensgrenzen vorsieht, die selbst Normalverdienern die Chancen auf den Ösi-Pass verbauen, erwähnte er nicht. Dabei wird sich hier ohne Gesetzesliberalisierung überhaupt nichts ändern.

Und als ein Vertreter der afrikanischen Community das Wort ergriff, um zu fragen, wie das Innenministerium integrationspolitisch gegen den schwelenden Rassismus und die auch medial angeheizte Fremdenfeindlichkeit in der Bevölkerung vorgehen wolle, wies Kurz lediglich auf den Plan hin, erfolgreiche Einwanderer als Integrationsbotschafter in Schulen zu schicken. Auch wenn das eine gute Idee ist: Reichen wird das nicht, um Österreich zu einem Land zu machen, in dem sich Einwanderer wohlfühlen. Wo sie Teil des Ganzen sind. Denn nur das kann das Ziel sein. (Irene Brickner/DER STANDARD, Printausgabe, 7.7.2011)