Man soll die Lösung der Kärntner Ortstafelfrage nicht kleinreden, man muss sie aber auch nicht schönreden. Was allen viel zu lange beim Hals heraushing, ist endlich hinuntergewürgt, das läuft hierzulande unter "historischer Moment" . Er beruht auf der Voraussetzung jahrzehntelanger nationalistischer Borniertheit, denn ohne diese wäre der Staatsvertrag womöglich schon vor einem halben Jahrhundert erfüllt worden und der österreichischen Zeitgeschichte wären viele peinliche, auch lächerliche Momente erspart geblieben. Jetzt hat der Kärntner Landeshauptmann kein Problem mehr einzuräumen, dass es sich dabei um ein politisches Spiel gehandelt hat, und dieses desto frecher, je weniger sich in einer Europäischen Union die Angst, der halbe Wörthersee könnte an Slowenien fallen, noch in Glaubwürdigkeit ummünzen ließ.

Auch biologische Materialermüdung vor Ort spielt eine gewisse Rolle, und dass sich die parlamentarische Begeisterung über die zweifellos beachtliche Leistung der Ortstafel-Dioskuren Dörfler/Ostermayer medial längst nicht so intensiv widerspiegelte, wie "historische Momente" das erwarten ließen, zeigt, dass sich die politischen Spiele auf andere Gründe verlagern.

Dass es jetzt zu dieser Lösung der Ortstafelfrage kam, ist - nüchtern betrachtet -, nicht nur späte Einsicht in europäische Notwendigkeit, sondern auch Part of the Game, das in Österreich gespielt werden soll. Eine laut Umfragen an Popularität zulegende Freiheitliche Partei drängt hartnäckig zum Mitregieren im Bund, und ihre endliche Kompromissbereitschaft bei den Ortstafeln in ihrem Kernland Kärnten soll als Eintrittskarte in eine nationale Koalition herhalten. Nicht nötig, Gerhard Dörfler das reine Motiv abzusprechen, für Frieden mit der slowenischen Volksgruppe sorgen zu wollen. Aber dass es ihm um mehr geht, daraus machte er kein Hehl, als er sich aus diesem Anlass auch gleich für eine Regierung unter Beteiligung der FPÖ aussprach.

Assistiert hat ihm dabei vom Rednerpult des Nationalrates aus sein Parteichef, der den Ortstafel-Kompromiss zum Anlass für den Hinweis nahm, "wie vernünftig es ist, die Freiheitliche Partei nicht auszugrenzen". Dieses Angebot hat mit Vernunft insofern so gut wie nichts zu tun, als es vor allem die Jahrzehnte währende Unvernunft von FPÖ-Politikern war, die diesen Kompromiss bis vorgestern und eine wirklich alle befriedigende Lösung auf unabsehbare Zeit verhindert hat. Und wäre es nur das, man könnte ja unterstellen, die FPÖ habe sich in ihrem Kern eben geändert. Tatsächlich wendet sie aber unter Heinz-Christian Strache das, was sie vormals als glühendes Kärntnertum gegen slowenisch beschriftete Ortstafeln ins Treffen führte, als spät entdecktes, aber nicht weniger glühendes Österreichertum (immer neben dem Deutschtum!) auf muslimische Zuwanderer und Asylsuchende an: Nur die Adresse hat sich geändert, die Botschaft ist ähnlich und der populistische Zweck derselbe. Bei einem Reindling haben Ostermayer und Dörfler ihre junge Freundschaft bekräftigt. Möge sie blühen wie der Apfelbaum, den der Staatssekretär beisteuerte. Nur dass er die Früchte einer Koalition tragen soll - das bitte nicht. (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 8.7.2011)