"Farsi" und "Dari", in geschriebener Form vereint.

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Christine Nölle-Karimi hat jahrelang in Iran und Afghanistan geforscht.

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Im Jahr 1964 wurde unter der königlichen Regentschaft von Mohammad Zahir der offizielle Name der afghanischen Landessprache von "Farsi" in "Dari" umbenannt. Diese Bezeichnung ist seit jeher amtlicher Terminus für die persische Sprache in Afghanistan und wurde in der Verfassung verankert. Dabei ist "Dari" neben "Pashto" eine der zwei amtlichen Sprachen des Landes. Diese politische Handlung führte zu einem regen Disput über die vermeintlichen Ungleichheiten von "Farsi"/"Dari" in Afghanistan. Gleichzeitig verspüren manche afghanischen Besucher im Iran eine unausgesprochene sprachliche Grenzziehung. Das mehr als 2000 Jahre alte Persisch wurde innerhalb kürzester Zeit zum Politikum, dessen Schäden noch nicht überwunden sind.

Geschichte der persischen Sprache

Persisch gehört zum iranischen Zweig der indoeuropäischen Sprachfamilie und wird als Amts- und Kultursprache im Iran, Afghanistan und Tadschikistan geführt. Die Sprache wird auch vereinzelt in Usbekistan sowie auf dem indischen Subkontinent gesprochen. Die Bezeichnung "Farsi" geht zurück auf die alte Provinz Pars, die Hauptsitz der antiken persischen Großkönige war. Persisch wurde im alten Sassanidenreich "Parsik" genannt und in Folge der arabischen Invasion zu "Farsi" umgewandelt. Ein wesentlicher Grund dafür war, dass es im Arabischen keinen "P-Laut" gibt und zur leichteren Verständlichkeit des Namens, das arabische "F" statt dem altbewährten "P" verwendet wurde.

Die Gelehrten- und Literatursprache

Im Mittelalter avancierte Persisch zur wichtigsten Gelehrten- und Literatursprache der Region. Zu dieser Zeit wurde Farsi als "Farsi-e-Darbari", als "Sprache des königlichen Hofes" in das Gedächtnis gerufen. Aus dieser alten Bezeichnung entstammt der Ursprung des heutigen Dari, die in Afghanistan, Pakistan und Indien als Bezeichnung für Farsi benutzt wird. Seit der Islamisierung Persiens wird Farsi in arabischer Schrift geschrieben, wobei das Alphabet (32 Buchstaben) um vier zusätzliche Buchstaben ergänzt wurde, um Laute wiedergeben zu können, die im Persischen verwendet werden.

Das heute gesprochene Neupersisch hat ab 900 nach Christus bestand und entwickelte sich im Zuge dessen zur Schriftsprache der Region. Bei "Dari" handelt es sich um die geschriebene Sprache - es ist als "das Skelett des modernen Neupersisch" zu verstehen. Dieses Grundgerüst bietet die Möglichkeit, alle persischen Dialekte auf die geschriebene Urform des "Dari" zurückführen.

Das Buch der Könige

Eine der wichtigsten Errungenschaften, die in der Sprache des Farsi-e-Darbari veröffentlicht wurde, ist wohl das "Schahname" ("Buch der Könige"). Das Lebenswerk und Nationalepos - aller persischsprachigen Völker - wurde vom Dichter Abol-Qasem Ferdousi in mehr als 60.000 Versen verewigt. Sein Werk entstand nach 35 Jahren sorgfältiger und mühseliger Arbeit. Das Buch enthält sehr wenige arabische Fremdwörter und gilt als historische und sprachliche Verfestigung des persischen Kulturkreises. Geschichtlich betrachtet war Persisch für alle Bevölkerungsgruppen von gleich großer Bedeutung.

Politikum Farsi/Dari

Besonders unter der afghanischen Bevölkerung wird das Politikum "Farsi"/"Dari" wenig bis gar nicht wahrgenommen - die meisten verstehen sich als "Farsi" sprechendes Volk. Teile der afghanischen Regierung forcieren zwischen den beiden Bezeichnungen jedoch eine klare Unterscheidung in unterschiedliche Sprachen. Dabei wird die Sprache "Dari" als etwas Eigenständiges, Unvergleichbares etikettiert. Diese Handlungsweise nach außen fand vor allem in den vergangenen Jahren ihren Höhepunkt. Afghanische Journalisten und Künstler - die ihre Muttersprache "Farsi" und dessen Wortschatz in ihrem Vokabular verwendeten - wurden mit hohen Geldstrafen und Verwarnungen abgemahnt. Dreh- und Angelpunkt dieser Verordnungen waren laut unabhängigen Quellen das afghanische Ministerium für Information und Kultur. Die Regierungsstelle sorgte im Jahr 2008 für Furore, weil es mehrere Journalisten suspendierte. Diese und ähnliche Beispiele zeigen, dass sich das Thema "Farsi"/"Dari" von einer kulturellen Ebene auf einen politischen Faktor der Sprache erweitert hat. Trotzdem, entstand vielerorts durch die Rezeption der persischsprachigen Massenmedien im In- und Ausland ein länderübergreifendes "Wir-Gefühl", dass die afghanische Regierung nicht unterbinden konnte.

"Ein und die selbe Sprache"

Für Sprachexperten wie Christine Nölle-Karimi sind die wenigen Unterschiede zwischen "Dari" und "Farsi" im Vokabular und der Aussprache auszumachen. Sie betont vor allem das es keine trennenden Merkmale gibt: "'Dari' gehört zur Bandbreite des Neupersischen und ist ein und die selbe Sprache". Aus historischer Sicht war die persische Sprache, die Lingua Franca der Region und wurde bis zum 19. Jahrhundert von Iran über Zentralasien bis nach Indien als Verkehrssprache verwendet. Die Forscherin vom Institut für Iranistik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sieht im immer wieder aufkommenden Disput vor allem eine politische Komponente: "Die Auffassung einer getrennten Sprachzugehörigkeit entstand erst durch die Ausformung der Nationalstaaten Iran und Afghanistan". Die Ausformung hängt eng mit den Herrschaftsansprüchen und der Identitätsbildung beider Länder zusammen, so die Wissenschaftlerin. Dabei spielt der Rahmen in dem beidseitige Ansprüche stattfinden eine erhebliche Rolle: "Die Unterscheidung von 'Farsi' und 'Dari' ist Kontext gebunden. Afghanen benutzen die Bezeichnung 'Dari' nur in Abgrenzung gegen das iranische Persisch."

Muttersprachlicher Unterricht in Österreich

Die stille Auseinandersetzung mit dem Thema "Farsi"/"Dari" wird hierzulande abseits des muttersprachlichen Unterrichts bemerkbar. Die wissenschaftlichen Befunde scheinen für manche iranische und afghanische Eltern nicht stichfest genug zu sein um ihre Kinder in einen gemeinsamen Unterricht zu schicken. Das Unterrichtsministerium stellt dabei klar, dass die Unterschiede so gering sind, dass die Muttersprache "Farsi" für alle persischsprachigen Bevölkerungsgruppen im Unterricht verwendet wird. Der muttersprachliche Unterricht selbst wird von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich gehandhabt, so wird in Wien, "Farsi" und "Dari" getrennt angeboten, in Oberösterreich und der Steiermark gemeinsam. (Toumaj Khakpour, daStandard.at, 9. Juli 2011)