Mit Hubert von Goisern sprach Wojciech Czaja.
Standard: Wie spricht man Sie an? Herr von Goisern?
Von Goisern: Sagen Sie einfach Hubert zu mir. Das ist mir lieber.
Standard: Morgen Abend geben Sie ein Benefizkonzert zugunsten von SOS-Kinderdorf in Afrika.
Von Goisern: Ja, ich hatte schon lange den Gedanken, dieses Benefizkonzert zu geben. Ein paar Kinderdörfer in Österreich und in Afrika kenne ich persönlich, und ich finde die Menschen, die das machen und die sich dafür engagieren, einfach großartig. Ich will auch einen Beitrag leisten. Kleinen Erdenbürgern zu helfen und dafür zu sorgen, dass ihnen ein bissl Harmonie und Liebe widerfährt - das ist, als würde man dabei helfen, eine Blume zum Blühen zu bringen.
Standard: Wie war Ihre Blütezeit?
Von Goisern: Ich hatte eine schöne Kindheit. Das ist ein Geschenk, und ich sage bewusst ist, denn ich zehre noch immer davon. Wenn Kinder inmitten von Schmerz, Not und Hass aufwachsen, dann setzt sich das so gut wie immer in die nächste Generation fort. Gerade bei Kindern, die im Leben auf die Schattenseite gefallen sind, ist es wichtig zu helfen. Und ich denke, dass die Schattenseite in Afrika noch etwas größer und dunkler ist als bei uns.
Standard: Wie gut kennen Sie Afrika?
Von Goisern: Ich habe viel Zeit auf diesem Kontinent verbracht, vor allem in Südafrika während der Apartheid. Aber Afrika ist so groß und vielfältig, dass ich mich nicht als Kenner bezeichnen möchte.
Standard: Sie sind in Afrika auch schon öfters aufgetreten.
Von Goisern: Ich habe zwei Tourneen in Westafrika gespielt. Das war in Burkina Faso, Mali, Senegal und auf den Kap Verde. Wir haben zwar auch richtige Konzerte gegeben, also in Konzerthäusern und Open-Air-Arenen, aber das Schönste waren immer die Dorffeste.
Standard: Sie haben mitgesungen?
Von Goisern: Ja! Es hat sich immer sehr schnell herumgesprochen, dass ich und meine Freunde Musiker sind. Und so findet man sich irgendwann am Dorfplatz ein und beginnt zu musizieren und zu tanzen. Das ist Musik auf Augenhöhe. Ich liebe es!
Standard: Wie kommt Ihre Musik in Westafrika an?
Von Goisern: Ich habe in Afrika vor allem unsere Volksmusik, also Jodler und Tänze gespielt und gesungen. Das kommt gut an! In diesen Ländern hat Musik einen ganz anderen Stellenwert als bei uns. Musik ist dort nicht hohe Kultur, sondern eher eine Art Gebrauchsartikel. Die Trennlinie zwischen Musiker und Publikum ist verwischt. Du spielst und singst, und rundherum schießt's den Leuten in die Hüften, sie fangen an, sich zu bewegen und mitzusingen, ihre G'stanzln über unsere Ländler und Steirer ...
Standard: Bei uns wird doch auch geschunkelt.
Von Goisern: Bei meinen Konzerten wird getanzt und nicht geschunkelt. Gott sei Dank!
Standard: Die FPÖ will per Gesetz mehr Volksmusik im Fernsehen erzwingen. Wie stehen Sie dazu?
Von Goisern: Wie so vieles, was die FPÖ sagt, ist auch diese Forderung zu kurz gegriffen. Aber ja, es wäre auf jeden Fall schön, wenn mehr österreichische Komponisten und Musiker im Rundfunk vertreten wären. Da gibt es ein Defizit. Und das liegt nicht an der Qualität. Das ist das Programmschema des ORF.
Standard: Wie sind Sie eigentlich zur Volksmusik gekommen?
Von Goisern: Auslöser war ein halbes Jahr in einem Bergdorf auf den Philippinen, weit weg von Manila. Dort habe ich Volksmusik ganz neu erlebt. Als ich dann nach Österreich zurückgekommen bin und mich auf die Suche nach unseren musikalischen Wurzeln gemacht habe, bin ich auf ein Tabu gestoßen. Die Beschäftigung mit Volksmusik war wie ein Gang über ein Minenfeld. Minen aus der Nazizeit. Und dann noch Phänomene wie der Musikantenstadl! Um die Volksmusik aus diesem Sumpf wieder rauszuholen, musste ich sie zerreißen.
Standard: Zerreißen bedeutet?
Von Goisern: Ich habe die Musik dekonstruiert. Ich habe sie in ihre Bestandteile zerrissen. So habe ich dann auch Ziehharmonika gespielt, und so spiele ich sie teilweise heute noch. Das hat etwas von Exorzismus.
Standard: "Heast as net?" ist nach 15 Jahren noch immer das am häufigsten gespielte Lied von Ihnen. Nervt das nicht?
Von Goisern: Überhaupt nicht! Ich spiel's bei fast jedem Konzert immer noch gern. Das ist ein echt geiles Lied. Inzwischen gefällt's mir sogar, wenn die Leute mitsingen.
Standard: Was ist zuerst da: Text oder Musik?
Von Goisern: Das Komponieren kommt zuerst. Selten ist es umgekehrt. In Ausnahmefällen fallt's gleichzeitig vom Himmel.
Standard: Was ist schwieriger?
Von Goisern: Ich finde es leichter, mich mit Musik auszudrücken. Alles hat einen Puls, einen Atem, einen Klang: die Leidenschaft, die Freude, die Sehnsucht, die Trauer, der Zorn ... Beim Komponieren macht man all das hörbar. Nachträglich zu texten - das ist aber ein Hund. Ich habe schon die Melodie im Ohr, und ich weiß, was ich sagen will, und dann kommt die Suche nach den richtigen Silben für jede einzelne Note. Das ist anfangs wie luftleerer Raum.
Standard: Wo komponieren, wo dichten Sie?
Von Goisern: Ich komponiere daheim. Mein Studio ist aus Schallschutzgründen betoniert. Ich kann mich so laut aufführen, wie ich will, und im Haus hört man nichts davon. Zum Dichten muss ich mich aber in mein Goiserer Haus zurückziehen. Da brauch ich die Abgeschiedenheit, das Ganz-auf-mich-zurückgeworfen-Sein.
Standard: Morgen Abend ist Ihr Auftritt im Wolkenturm. "Heast as net?", werden wir das hören?
Von Goisern: Schaut gut aus. Das Lied ist ja erst 20 Jahre alt.
(DER STANDARD, Printausgabe, 9./10.7.2011)