"Der Führer ruft" auf iTunes: Märsche des Dritten Reichs schlüpften durch die Kontrollen von Apple. Gespielt vom "Ruckner Orchestra Inz" alias Hitlers "Linzer Reichsbrucknerorchester"

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Man muss schon genau wissen, was man sucht - oder durch Zufall und einen schwedischen Standard-Leser darauf aufmerksam gemacht werden: Unter den Millionen Musiktiteln in Apples iTunes Store finden sich auch die "Marches of the Third Reich". Seit dem Mai 2011 spielt hier in der Abteilung "Weltmusik" das "Ruckner Orchestra Inz" ein Best of Böse, vom Horst-Wessel-Lied bis zu "Der Führer Ruft, ruft". Nach Standard-Recherchen entfernt jetzt Apple die Titel.

Linzer Reichsbrucknerochester

Über das "Ruckner Orchestra Inz" sind bei iTunes keine weiteren Angaben zu finden, aber eine Google-Suche enttarnt es schnell als das "Linz Bruckner Orchestra", wie im Englischen das auf Anordnung von Adolf Hitler 1942 gegründete "Linzer Reichsbrucknerorchester" bezeichnet wird.
Dieses entsprang Hitlers Fantasie, aus Linz ein zweites Bayreuth zu machen.

Als wenige Monate vor Kriegsende schon die meisten Orchester im "Dritten Reich" geschlossen waren, spielten nur das "Reichsbrucknerorchester" und die Berliner Philharmoniker noch immer. "Während die Nazis die letzten Holocaust-Überlebenden auf Todesmärschen dezimierten, spielte das Bruckner Orchestra noch immer klassische Musik für das Reich", beschreibt das Zentrum für Holocaust-Studien Yad Vashem. Die über iTunes erhältlichen Märsche stammen dem Klang nach aus der Nazizeit.

"Lieder werden entfernt"

Apples Reaktion auf die Standard-Recherchen erfolgte prompt: "Die Lieder werden entfernt", hieß es Freitag am Firmensitz in München. In den nächsten Tagen soll die CD aus den iTunes Stores in Österreich, Deutschland und der Schweiz genommen werden. Man sei für solche Hinweise dankbar, da es Neonazi-Gruppen leider immer wieder gelinge belastetes Material durch Kontrollen durchzuschwindeln.

Schlüsselbegriffe

Tatsächlich haben rechte Gruppierungen Geschicklichkeit dabei entwickelt, ihr Material vor diversen Suchfiltern zu tarnen. Einschlägige Musik wird häufig über lateinamerikanische Labels in diversen Onlinestores angemeldet und fällt damit weniger auf. Dazu werden Schlüsselbegriffe oder das Hakenkreuz vermieden, um nicht automatisch gefiltert zu werden. Daraus erklärt sich auch die Kategorisierung unter „Weltmusik" im iTunes Store und die Tarnung des Orchesternamens.

Das heutige Bruckner Orchester Linz ist übrigens kein Nachfahre der Hitler-Gründung, beschreibt das Forum OÖ Geschichte. Es wurde 1967 gegründet, sein Vorläufer war (mit Verwindungen) das Landestheaterorchester aus dem 19. Jahrhundert. Das „Reichsbrucknerorchester" wurde 1945 von der US-Besatzung aufgelöst. (Helmut Spudich, DER STANDARD/Printausgabe, 8.7.2011)